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Einschätzung von Ökonomen: 49-Euro-Ticket keine Inflationsbremse?

Einschätzung von Ökonomen 49EuroTicket keine Inflationsbremse
Das 9-Euro-Ticket hatte im Sommer einen bremsenden Effekt auf die Inflationsrate. Dass das beim Nachfolgemodell für 49 Euro auch so sein wird, bezweifeln Ökonomen. Derweil begrüßt der Deutsche Städtetag die Einigung zwischen Bund und Ländern.

Stand: 14.10.2022 13:00 Uhr

Das 9-Euro-Ticket hatte im Sommer einen bremsenden Effekt auf die Inflationsrate. Dass das beim Nachfolgemodell für 49 Euro auch so sein wird, bezweifeln Ökonomen. Derweil begrüßt der Deutsche Städtetag die Einigung zwischen Bund und Ländern.

Das geplante 49-Euro-Ticket für den Nahverkehr hat Ökonomen zufolge anders als sein günstigerer Vorgänger für neun Euro nicht das Zeug dazu, die Teuerung in Schach zu halten. "Es ist nicht zu erwarten, dass das 49-Euro-Ticket eine Inflationsbremse" wird", sagte der Ökonom der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), Jens-Oliver Niklasch, gegenüber Reuters. Ähnlich sieht das der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding: Die Teuerungsrate werde "nur in geringem Umfang" gedrückt, "vielleicht mit 0,1 Prozentpunkten".

Der Anteil der "Personenbeförderung im Nah- und Fernverkehr" sowie die "Personenbeförderung mit Bussen und Reisebussen" mache nur einen vergleichsweise geringen Anteil am Warenkorb aus, der für die Berechnung der Inflationsrate herangezogen wird, sagte LBBW-Ökonom Niklasch. "Zudem ist der Schienenfernverkehr und der Reisebusverkehr im 49-Euro-Ticket ja nicht inbegriffen", so der Volkswirt. Sein Fazit lautet deshalb: "Nice to have, aber keine substanzielle Bremse". Das Ticket sei eher eine Fördermaßnahme für den ÖPNV, was aus Umweltschutzgründen sinnvoll sei.

Nachfolgemodell zu 9-Euro-Ticket

Die Verkehrsminister von Bund und Ländern einigten sich gestern grundsätzlich auf ein bundesweites Nahverkehrsticket, das 49 Euro kosten soll. Das befristet von Juni bis August geltende 9-Euro-Ticket hatte im Zusammenspiel mit dem parallel eingeführten Tankrabatt dazu geführt, dass der Preisauftrieb merklich gedämpft wurde, wie das Statistische Bundesamt herausfand.

Im September fielen die Entlastungen im öffentlichen Regional- und Personennahverkehr wieder weg: Dadurch erhöhten sich die Preise für die Tickets der Bahn im Nahverkehr um 82,5 Prozent sowie für den kombinierten Personenverkehr sogar um 175,3 Prozent zum Vormonat.

Der Wegfall von 9-Euro-Ticket und Tankrabatt trug dazu bei, dass die Inflationsrate im September mit 10,0 Prozent auf den höchsten Stand seit 1951 stieg. "Dieses Auslaufen bedeutet zusammen gut anderthalb Prozentpunkte Inflation", sagte der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien. Im August hatte die Teuerungsrate noch 7,9 Prozent betragen. Experten gehen davon aus, dass die Verbraucherpreise in den kommenden Monaten noch stärker steigen werden.

Städtetag begrüßt Grundsatzeinigung

Der Deutsche Städtetag begrüßt das geplante 49-Euro-Ticket für den Nahverkehr - fordert aber dauerhaft mehr Geld vom Bund für Busse und Bahnen. Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy sagte gegenüber der dpa: "Das Ticket darf wichtige Investitionen in den Nahverkehr nicht ausbremsen, etwa weil es zu Lasten der Grundfinanzierung oder des Angebotsausbaus geht. Wir wollen und brauchen in vielen unserer Städte neue, umweltfreundlichere Busse und Bahnen, attraktive Haltepunkte und kürzere Taktzeiten."

Der Bund hatte zugesagt, ein Nachfolgeticket des 9-Euro-Ticket mit 1,5 Milliarden Euro zu finanzieren - wenn die Länder mindestens den gleichen Betrag zur Verfügung stellen. Die Länder sind aber nur zu einer Kofinanzierung bereit, wenn es eine Verständigung über die sogenannten Regionalisierungsmittel gibt. Mit diesem Geld bestellen sie Busse und Bahnen.

Zu wenig für die Klimaschutzziele?

Nach Einschätzung Dedys reicht die Zusage des Bundes nicht aus, um die im Verkehrsbereich erforderlichen Ziele für den Klimaschutz zu erreichen. Der Hauptgeschäftsführer signalisierte aber die Unterstützung der Städte für ein "Klimaticket" und die dafür nötige ÖPNV-Finanzierung. "Mit einem bundesweiten ÖPNV-Ticket können wir dafür sorgen, dass noch mehr Menschen Busse und Bahnen nutzen und das Auto stehen lassen."

Nun sei die Ministerpräsidentenkonferenz gefragt, sich zu den Finanzierungsfragen zu verständigen. "Der ÖPNV ist schon lange extrem unterfinanziert", sagte Dedy. "Die Kosten der Energiekrise und steigende Personalkosten kommen für die Verkehrsunternehmen on top." Der Bund müsse deshalb zusätzlich seine Regionalisierungsmittel für 2022 um mindestens 1,7 Milliarden Euro aufstocken und für Ausbau und Modernisierung ab 2023 jährlich 1,5 Milliarden Euro dazugeben.

Pro Bahn kritisiert Preis

Aus Sicht des Fahrgastverbands Pro Bahn ist das 49-Euro-Ticket für einkommensschwache Menschen nach wie vor zu teuer. "Das Prinzip Gießkanne wird damit nicht durchbrochen", sagte der Pro-Bahn-Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann der dpa. "Wir bräuchten für diese Menschen ein günstigeres Angebot."

Generell seien die Verkehrsbedürfnisse zu komplex, als dass sie mit einer einzigen Antwort wie dem 49-Euro-Ticket beantwortet werden könnten, betonte Naumann. So hätten Pendlerinnen und Pendler im Fernverkehr nichts von dem Sonderangebot, das nur für den Regionalverkehr gelten soll. Zudem brauche es mehr Gelder für den Ausbau der Infrastruktur über eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel. Mit diesen Mitteln finanziert der Bund den ÖPNV mit.

Auch sonst ergibt ein bundesweiter Einheitspreis für sämtliche Regionalverkehre aus Naumanns Sicht nicht immer Sinn. "Wenn man in Richtung Verkehrswende denkt, dann muss es günstiger sein, von Berlin aus zum stadteigenen Müggelsee zu fahren als an die Nordsee", sagte er. "Schließlich hat auch das Fahren mit dem ÖPNV Umweltauswirkungen, und die sind bei kürzeren Strecken geringer."

Flixbus beklagt mögliche Wettbewerbsverzerrung

Private Fernbusanbieter wie Flixbus haben offenbar ein Interesse daran, sich in das Angebotsnetz des 49-Euro-Tickets zu integrieren. So hatte Flixbus-Chef André Schwämmlein der Bundesregierung unlängst angeboten, die Fernbusse in die Nachfolgeregelung miteinzubeziehen. Diese Offerte erneuerte er jetzt im "Spiegel": "Wir streben mit der Beteiligung kein Zusatzgeschäft an."

Es gehe vielmehr darum, den Kunden ein attraktives Angebot zu machen und Wettbewerbsverzerrung zu verhindern - und damit zugleich ein erhebliches rechtliches Risiko für das Nachfolgeticket. Bei einer Vergütung im kleinen bis mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich für die Einbindung von Flixbus sei das gewährleistet, gemessen an den Gesamtkosten für das Ticket von voraussichtlich drei bis vier Milliarden Euro sei das "ein überschaubarer Betrag". 

Schwämmlein wies darauf hin, dass Flixbus einige Regionen besser abdecke als der regionale Zugverkehr, gerade in Flächenländern wie Bayern. Werde sein Unternehmen nicht in das 49-Euro-Ticket einbezogen, habe das Folgen für den Fernbusanbieter: "Wir müssten dann auf einigen Strecken in Deutschland unser Angebot deutlich einschränken, voraussichtlich bereits ab Januar." Dies gehe zu Lasten der Fahrgäste. Man könne den Betrieb nicht überall aufrechterhalten, "wenn die subventionierte Konkurrenz quasi umsonst fährt". 

Wegen des 9-Euro-Tickets habe Flixbus im Sommer bereits weniger Kunden transportiert. "Wir haben auf bestimmten Strecken deutlich Fahrgäste verloren, die Zahlen sind dort um ein Drittel bis die Hälfte zurückgegangen", sagte Schwämmlein. Als Beispiele nannte er die Strecken Berlin-Leipzig, München-Nürnberg und Hamburg-Hannover. Insgesamt habe Flixbus einen sehr guten Sommer gehabt, weil viele Menschen wieder reisen wollten.

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