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Messerangriff in Aschaffenburg: Fragen nach Motiv und politischer ...

Messerangriff in Aschaffenburg Fragen nach Motiv und politischer
Nach dem tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg rücken zwei Fragen in den Fokus: Welche Rolle spielten psychische Vorerkrankungen des Verdächtigen? Und warum war er noch in Deutschland? Die Gewalttat trifft Deutschland im Wahlkampf.

Stand: 23.01.2025 11:30 Uhr

Nach dem tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg rücken zwei Fragen in den Fokus: Welche Rolle spielten psychische Vorerkrankungen des Verdächtigen? Und warum war er noch in Deutschland? Die Gewalttat trifft Deutschland im Wahlkampf.

Einen Tag nach der Messerattacke, bei der im bayerischen Aschaffenburg ein zwei Jahre alter Junge und ein 41-jähriger Mann getötet wurden, ist das Motiv des mutmaßlichen Täters weiter unklar. Der aus Afghanistan stammende 28-Jährige soll heute einem Haftrichter vorgeführt werden. Ob er sich zur Tat äußert, ist allerdings unklar.

Nach der Tat hatte die Polizei den Tatort im Schöntal-Park weiträumig abgesperrt und Spuren gesichert. Auch die Tatwaffe - offenbar ein Küchenmesser - konnte sichergestellt werden. Noch am Mittwoch wurde die Wohnung des Verdächtigen durchsucht. Nun müssen die Spuren ausgewertet werden, zudem hatte die Polizei mögliche Zeugen aufgerufen, sich zu melden.

Von einem islamistischen Hintergrund gehen Ermittler und Staatsanwaltschaft derzeit nicht aus. Noch am Tag der Tat wurde bekannt, dass der 28-Jährige bereits mehrfach wegen einer psychischen Erkrankung in Behandlung war. Daher muss auch die Frage der Schuldfähigkeit des mutmaßlichen Täters zum Zeitpunkt des Angriffs aufgeklärt werden.

"Tätergruppe psychisch kranke Gewalttäter stärker in den Blick nehmen"

Bereits drei Mal war der Verdächtige wegen Gewalttaten auffällig geworden, seitdem er 2022 nach Deutschland eingereist war. Jedes Mal kam er in psychiatrische Behandlung. Im Dezember war ihm ein Betreuer zugewiesen worden. Wie Andrea Lindholz im Gespräch mit dem Deutschlandfunk angab, wurde dem Verdächtigen in der Vergangenheit mehrfach Körperverletzung vorgeworfen, zudem Sachbeschädigung und Delikte in Zusammenhang mit Betäubungsmitteln. Lindholz ist innenpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion. Die CSU-Politikerin hat ihren Wahlkreis in Aschaffenburg.

Lindholz sprach gegenüber dem Deutschlandfunk von einem "psychisch kranken Täter, der offenbar auch drogen- und alkoholabhängig war". Und eben jene Tätergruppe, "psychisch kranke Gewalttäter", müssten von den Behörden viel stärker in den Blick genommen werden.

Auch der Psychologe und Migrationsexperte Ahmad Mansour hatte im Interview mit den tagesthemen für mehr Kontrolle bei dieser Tätergruppe plädiert und unter anderem ein "Register psychisch kranker Gewalttäter" gefordert.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann kündigte an, die Maßstäbe für die Unterbringung von psychisch Kranken prüfen zu wollen. "Das ist immer eine schwere Entscheidung, die Lage der Menschen zu beurteilen", sagte der CSU-Politiker dem Bayerischen Rundfunk. Und sei "auch in unserem Freiheitsverständnis nicht einfach zu entscheiden", wann Betroffene in eine geschlossene Einrichtung eingewiesen und wird dann "eingesperrt" werden sollten. "Aber wir müssen natürlich auch sehen, welche Risiken für unsere Bevölkerung ganz offensichtlich da sind. Und wir müssen da glaube ich schon noch mal mit den Fachleuten diskutieren, ob da die richtigen Maßstäbe hinsichtlich der Gefährdung der Öffentlichkeit, der Gefährdung anderer Menschen wirklich auch angewendet werden", betonte Herrmann.

Tatverdächtiger war zur Ausreise aufgefordert worden

Doch auch über einen anderen Aspekt wird in der Politik diskutiert: Warum der Verdächtige überhaupt noch in Deutschland war. Nach seiner Einreise nach Deutschland hatte der Mann Asyl beantragt. Vor rund anderthalb Monaten aber gab er bei den zuständigen Behörden an, freiwillig nach Afghanistan zurückkehren zu wollen. Das Asylverfahren wurde daraufhin am 11. Dezember eingestellt und der Verdächtige wurde zur Ausreise aufgefordert, wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann mitteilte.

Für die CSU-Politikerin Lindholz stellt sich daher die Frage: "Wer ist verantwortlich?" Wer hätte dafür sorgen müssen, dass der mutmaßliche Täter "alle seine Papiere zusammen hat" und dann das Land auch tatsächlich verlasse? Sie kritisiert eine "Überlastung des kompletten Systems" aufgrund der hohen Zuwanderung von Migrantinnen und Migranten nach Deutschland. Die Kommunen seien am Anschlag, die Behörden überlastet und ungenügend vernetzt.

"Ich bin es leid"

Es ist diese Frage nach der Verantwortung, nach dem "Wie konnte das passieren?", die die Debatte um die Migrationspolitik infolge des Angriffs und einen Monat vor der Bundestagswahl zusätzlich anfacht. Bereits vor der Attacke in Aschaffenburg hatte sich der Umgang mit Migration als eines der zentralen und parteiübergreifenden Wahlkampfthemen abgezeichnet.

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte noch am Mittwoch umfassende Aufklärung der Tat angekündigt und deutliche Worte für die "unfassbare Terrortat" gefunden. "Ich bin es leid, wenn sich alle paar Wochen solche Gewalttaten bei uns zutragen. Von Tätern, die eigentlich zu uns gekommen sind, um hier Schutz zu finden. Da ist falsch verstandene Toleranz völlig unangebracht", sagte der SPD-Politiker laut einer Mitteilung.

Noch am Mittwochabend hatte sich Scholz mit den Chefs des Verfassungsschutzes, des Bundeskriminalamts und der Bundespolizei im Kanzleramt getroffen und im Anschluss betont: Wir werden diesen Fall schnell aufklären und die nötigen Konsequenzen ziehen. Jetzt."

Lindner kritisiert "veritables Staatsversagen"

FDP-Chef Christian Lindner betonte in einem bei Instagram veröffentlichten Video, dass Aschaffenburg "kein Einzelfall" sei. Er sprach von einem "veritablen Staatsversagen" und einem "Muster aus Herkunft, Auffälligkeit, Ausreiseverpflichtung". "Ich bin für ein weltoffenes und tolerantes Deutschland, und wir brauchen auch qualifizierte Einwanderung. Aber das muss alles zu unseren Regeln stattfinden und darf nicht zulasten unserer Sicherheit gehen" mahnte Lindner weiter. Sollte seine FDP nach der Bundestagswahl an einer neuen Bundesregierung beteiligt sein, werde sie eine andere Einwanderungs- und Migrationspolitik zur Bedingung machen.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte gegenüber dem Internetportal nius eine "Vollbremsung bei der Migration". Darunter verstehe er Zurückweisungen an der Grenze, die Abwicklung von Asylverfahren in Drittstaaten und die verstärkte Abschiebung von Straftätern.

"So kann es nicht weitergehen"

Zügige Konsequenzen - diese Forderung kam nach dem Angriff aus den Reihen vieler Parteien. Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der CDU, betonte: "So kann es nicht weitergehen. Wir müssen und werden Recht und Ordnung wiederherstellen."

Die AfD-Bundeschefin und -Kanzlerkandidatin Alice Weidel drängte auf die konsequente Abschiebung von ausreisepflichtigen Migranten. Auch AfD-Co-Chef Tino Chrupalla forderte eine Asylwende und schnelle Abschiebungen nach Afghanistan.

Die Vorsitzende des BSW, Sahra Wagenknecht, machte Kanzler Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser politisch mitverantwortlich für die Tat. Dass nach den Messerangriffen von Mannheim und Solingen nichts passiert sei, so Wagenknecht gegenüber dem Magazin Politico, sei in erster Linie das Versagen des Kanzlers und seiner Innenministerin. Bei RTL forderte sie Korrekturen in der Asylpolitik.

Kranzniederlegung in Aschaffenburg

In Aschaffenburg wurde am Vormittag ein Kranz im Gedenken an die Opfer niedergelegt. Der Oberbürgermeister von Aschaffenburg, Jürgen Herzing, mahnte bei der Kranzniederlegung, trotz der schockierenden Tat besonnen zu bleiben. "Wir alle sind entsetzt über diese Tat mitten unter uns", sagte der SPD-Politiker. Dennoch dürfe die Tat eines Einzelnen niemals einer ganzen Bevölkerungsgruppe angerechnet werden. Herzing mahnte Zusammenhalt an, damit keine Spirale von Hass und Gewalt entstehe.

Am Sonntagvormittag soll in der Aschaffenburger Stiftskirche eine Trauerfeier abgehalten werden. Für den heutigen Abend plant ein Bündnis namens "Aschaffenburg ist bunt" ein stilles Gedenken im Park.

Neben den zwei Todesopfern waren bei dem Angriff drei weitere Menschen verletzt worden: ein zwei Jahre altes Mädchen, ein 61-jähriger Mann und eine Erzieherin. Wie die Polizei mitteilte, befinden sich alle verletzten Opfer außer Lebensgefahr.

Hans-Joachim Vieweger, ARD Berlin, tagesschau, 23.01.2025 10:40 Uhr

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