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Berlinale: Doppeltes Debüt und fließender Neustart

Berlinale Doppeltes Debüt und fließender Neustart
Jenny Zylka und Sebastian Markt sind auf dieser Berlinale die Neuen als Sektionsleiter. Aber beide stehen auch für Kontinuität.

Filmfestival

Berlinale: Doppeltes Debüt und fließender Neustart
Aktualisiert: 14.02.2023, 06:00 | Lesedauer: 6 Minuten
Thomas Abeltshauser
Die neuen Sektionsleiter der Berlinale: Jenny Zylka hat die Perspektive Deutsches Kino übernommen und Sebastian Markt die Kinder- und Jugendsparte Berlinale.

Die neuen Sektionsleiter der Berlinale: Jenny Zylka hat die Perspektive Deutsches Kino übernommen und Sebastian Markt die Kinder- und Jugendsparte Berlinale.

Foto: Jörg Krauthöfer / FUNKE Foto Services

Jenny Zylka und Sebastian Markt sind auf dieser Berlinale die Neuen als Sektionsleiter. Aber beide stehen auch für Kontinuität.

Wenn am 16. Februar die 73. Berlinale beginnt, ist es nicht nur die erste reguläre seit der Pandemie, sondern auch das doppelte Debüt an der Spitze zweier Festivalreihen. Die Perspektive Deutsches Kino wird erstmals von Jenni Zylka geleitet, die von Vorgängerin Linda Söffker übernommen hat. Und Generation, die Sektion für das junge Publikum, läuft nach dem Abschied von Maryanne Redpath nun unter Sebastian Markts Ägide.

Wobei neu nicht ganz stimmt, beide habe bereits jahrelange Berlinale-Erfahrung und sind auch dem Publikum ein vertrauter Anblick. Jenni Zylka war im Auswahlgremium des Panoramas, hat Publikumsgespräche und Pressekonferenzen moderiert. Und Sebastian Markt hatte in der Generation zuletzt das Programm der Langfilme koordiniert. Beide kennen also das Festival aus dem Effeff. Ein Neustart, aber einer mit fließendem Übergang.

Der stete Albtaum, Filmemachern absagen zu müssen

Die Stimmung kurz vor dem Festival ist bei beiden gut. Schließlich liegt ein Großteil der Arbeit bereits hinter ihnen: Hunderte Filme sichten und eine Auswahl davon einladen. „Das Programm steht, die Publikationen sind veröffentlicht, jetzt freuen wir uns, dass es losgeht und die Leute kommen“, sagt Markt. Und Zylka ist „sehr glücklich mit dem, was wir gemacht haben. Ich war 30 Jahre freiberuflich und jetzt sitze ich auf einem riesigen Stahlschiff und merke, wie aufwändig die Maschinerie ist. Zum Glück habe ich ein Spitzenteam, ohne das gar nix ginge.“

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Was sie mache, habe sich im Grunde gar nicht so verändert. „Ich gucke noch immer Filme und rede darüber, evaluiere sie. Ich sehe mich als Fürsprecherin der Filme, versuche, Aufmerksamkeit zu generieren. Wie eine Hebamme.“ Nur eine größere Verantwortung spüre sie jetzt. „In der Sichtungsphase habe ich andauernd davon geträumt, wie ich Filmemachern absagen muss!“

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Alles rüstes fürs Festival: Das Theater am Potsdamer Platz verwandelt sich derzeit in den Berlinale Palast.Foto: Annette Riedl / dpa

Auch für Markt ist die größte Veränderung, jetzt für ein Team und künstlerisch für das Programm verantwortlich zu sein, wo er vorher nur beraten hat. „Ein Generationswechsel, aber mit viel Kontinuität“, nennt er es. Neu ist, dass die Filmvermittlung ein eigenständiger Bereich ist, den Melika Gothe leitet. Sie betreut etwa ein Schulprojekt, das Kinder an das Medium Film heranführen soll. Die gewohnten Einsprachen auf deutsch statt Untertitel bei fremdsprachigen Filmen für das jüngere Publikum, gibt es nun auch auf Ukrainisch und in syrischem Arabisch, „um das Programm zu öffnen und der Diversität der Stadt zu entsprechen“, sagt Markt.

Was die Welt umtreibt, die Konflikte in der Ukraine und im Iran, spiegelt sich auch hier wieder, im Dokumentarfilm „We will not fade away“ über fünf Jugendliche im Donbass etwa oder „Dreams‘ Gate“ über junge Kämpferinnen einer kurdischen Miliz in Syrien. „Andere Filme loten Fantasie und Imagination aus, da gibt eine schöne Bandbreite, auch in den Erzählformen.“

Politische Relevanz, dringliche Themen, unterschiedliche Filmsprachen

Auch Zylka nennt „politische Relevanz“ als Schwerpunkt. „Die Dokumentarfilme beschäftigen sich alle mit aktuellen Krisensituationen, ‚Vergiss Meyn Nicht‘ über den jungen Mann, der im Hambacher Forst tödlich verunglückt ist, besteht aus dem Videomaterial, das er mit seiner Helmkamera selbst gedreht hat. Der Film stellt die Frage, wie weit Aktivismus gehen soll und darf.“ Auch die Spielfilme seien geprägt von dringlichen Themen und sehr unterschiedlichen Filmsprachen.

Es gibt ein Musical in der Favela („Ash Wednesday“), die lakonische Komödie „Knochen und Namen“ über ein langjähriges, schwules Paar. Das Drama „Ararat“ handelt von der Sprachlosigkeit in einer türkischen Familie. Alles Debüts, bis auf einen alles Weltpremieren. Sie will, dass der junge deutsche Film international mehr wahrgenommen wird, hat internationalen Medien und Programmern die Auswahl vorgestellt, ihnen Appetit gemacht. Auch die Filmgespräche werden auf Englisch stattfinden.

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Auch der Ticketverkauf hat bereits begonnen. In diesem Jahr können Karten nur digital erworben werden. Das Schlangestehen entfällt.Foto: Monika Skolimowska / dpa

„Und die Geschichten, die ich ausgewählt habe, spielen in verschiedenen Kulturen. Die Vorgabe ist, dass der Film in Deutschland produziert ist – wo er spielt, ist egal. Seine Botschaft sollte eh immer global sein.“ Neu ist auch die Reihe „Perspektive Match“, eine Idee ihrer Vorgängerin, die letztes Jahr wegen Corona nicht stattfinden konnte. „Wir haben bei vier der Filmen Verantwortliche aus verschiedenen Gewerken eingeladen, die im HAU1 auf alte Hasen aus ihrem Bereich treffen und über ihre Arbeit sprechen.“

Eine wichtige Frage in der Generation ist, welcher Film für welches Alter geeignet ist. Das Programm ist dafür grob in zwei Sparten aufgeteilt, Kplus für Kinder und 14plus für Jugendliche, zusätzlich gibt es Altersempfehlungen. „Wir gehen davon aus, dass es keine Themen gibt, die per se ungeeignet sind, sondern es stark davon abhängt, wie und was sie erzählen.“, betont Markt. „Grundsätzlich wollen wir niemanden verstören, es soll ein bestärkendes Programm sein. Das schließt aber nicht aus, sich mit Themen auseinanderzusetzen, die schwierig sind.“

Neue Talente lassen sich in beiden Sektionen entdecken

Da kommt es schon mal vor, dass ein Film einer anderen Sektion parallel gezeigt wird, um ihn so auch einem Publikum unter 18 zugänglich zu machen. „La Sirene“, den Eröffnungsfilm des Panoramas etwa, und den spanischen Wettbewerbsbeitrag „20,000 especies de abejas“.

Apropos Wettbewerb: Die letztjährige Gewinnerin des Goldenen Bären, Carla Simón, hatte ihren ersten Berlinale-Auftritt in der Generation mit ihrem Regiedebüt „Sommer 1993“. „Wir haben uns über die Jahre den Ruf erarbeitet, neue Stimmen zu entdecken.“, freut sich Markt. Neue Talente jedenfalls lassen sich in beiden Sektionen finden, auf und vor der Leinwand. Und vielleicht ja sogar einen künftigen Goldenen Bären-Gewinner.

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