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Bahnstreik und Frauentag: Claus Weselsky, mein feministischer ...

Bahnstreik und Frauentag Claus Weselsky mein feministischer
Der Bahnstreik für die 35-Stunden-Woche ist der größte feministische Kampf, der an diesem Frauentag stattfinden kann. Denn das, was wir zur Gleichberechtigung gerade am dringendsten brauchen, ist: kürzere Vollzeit! Für Väter, und für Mütter

Ich höre es um mich herum schon stöhnen: Nicht schon wieder Bahnstreik, und dann auch noch am Frauentag! Wie soll man so durch die Republik reisen? Wie soll man so zur Frauenkampftagsdemo kommen? Nee, Leute, wer jetzt meckert, hat es nicht verstanden: Den größten feministischen Kämpfer gibt an diesem 8. März Claus Weselsky selbst, mitsamt seiner Truppe von der GDL. Denn das, was der feministische Kampf gerade am allerdringendsten braucht, ist: mehr Zeit! Und zwar nicht irgendwelche Zeit, sondern lohnarbeitsfreie Zeit für die Familie, finanziert vom Arbeitgeber.

Kürzere Vollzeitarbeit bei vollem Lohnausgleich: Diese Forderung ist alt und wurde von Feministinnen immer wieder gestellt. Es ist eine einfache Gleichung. Wenn Männer 38–40 Stunden Vollzeit arbeiten, haben sie zu wenig Zeit, um ihre Kinder von der Kita abzuholen und ihnen Essen zu kochen. Andersherum: Wenn Frauen Kinder bekommen, arbeiten sie nicht mehr 40 Stunden Vollzeit, weil sie sich hauptverantwortlich dafür sehen, die Kids von der Kita abzuholen und ihnen Essen zu kochen. Wer als Elternteil also die Arbeitszeit reduziert, ist klar: Das tun die Frauen. Die Statistiken zeigen es: Wenn ein Mann Vater wird, arbeitet er noch mehr als zuvor, um mehr Geld zu verdienen. Es grüßt das Familienernährermodell.

Wir kennen die Zahlen auswendig: Zwei Monate Väterzeit nehmen sich die Männer bei Nachwuchs, die Mütter nehmen sich wesentlich längere Auszeiten und starten danach in Teilzeit zurück in ihren Job. Am Ende ihres Lebens haben sie auf diese Weise insgesamt nur 50 Prozent von dem verdient, was ein Mann verdient hat. Und nur 60 Prozent von dem, was eine Frau verdient, die keine Kinder bekommen hat.

Mehr Kita-Erzieherinnen – und weniger Lohnarbeit

Motherhood Penalty nennt sich das, und es ist nur deshalb eine Bestrafung für das Muttersein, weil unsere Arbeit in 40-Stunden-Vollzeitjobs mit zu wenig Kinderbetreuung organisiert ist. Die eine Seite der Medaille sind daher die Kita-Streiks für bessere Personalschlüssel und bessere Entlohnung: Erzieherinnen und Erzieher sind Heldinnen des feministischen Kampfs. Und die andere Seite der Medaille ist der feministische Kampf für eine kürzere Vollzeit, die allen Geschlechtern ermöglicht, Familie und Arbeit besser organisiert zu bekommen. Von 38 auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich: Das sind drei vom Arbeitgeber finanzierte Stunden Kinderabholen und Kochen pro Woche, und auf ein Elternpaar gesehen, sind es schon sechs Stunden finanzierte Familienarbeit mehr.

Sechs Stunden mehr Zeit für die Familie pro Woche, das ist bei kleinen Kindern Gold wert. Wenn Väter mehr Familienarbeit übernehmen, wenn auch Mütter Vollzeit arbeiten können, weil Vollzeit nur noch 35 Stunden bedeutet, dann wäre das revolutionär: Der Gender Pay Gap könnte verschwindend gering sein, der Gender Pension Gap wäre geringer, weil Mütter keine krassen Einschnitte in ihrer Sozialversicherung durch Teilzeit mehr hinnehmen müssen, Kinder hätten eine emotional engere Bindung zu ihren Vätern, Mütter wären emotional entlastet und könnten als Fachkräfte auf den Arbeitsmarkt strömen.

Lasst uns einmal keine Kundinnen sein, sondern solidarisch

Das alles sehen wir, wenn wir aufhören, Kundinnen zu sein, und anfangen, Mitglieder dieser Gesellschaft zu sein. Als Angestellte sehen wir, dass wir diese drei Stunden selber dringend brauchen. Drei Stunden Familienzeit, finanziert vom Unternehmen: Wenn die GDL das bei der Bahn durchsetzt, dann kann das Vorbildfunktion haben! So wie die Kämpfe der IG Metall für die verkürzte Vollzeit von 28 Stunden plus 8 Tage für die Kinderbetreuung Vorbildfunktion für die GDL hatten. Als Mütter sehen wir die Kids, die diese drei Stunden ihrer Mütter und Väter dringend brauchen. Und als Mitglieder dieser Gesellschaft sehen wir, dass der Zeitmangel, in dem wir uns befinden, uns zu unsozialen Wesen gemacht hat, die auf die scheiß Lokführer schimpfen, wenn sie für eine bessere Gesellschaft streiken – nur weil uns dieser Streik an nur wenigen Tagen unseres Lebens mal mehr Zeit kostet. Zeitdruck ist der größte Feind von Empathie und Solidarität.

Deshalb ist Claus Weselsky mein Held des 8. März: Er kämpft dafür, dass die Arbeitsteilung des Patriarchats überwunden werden kann. Und mit ihm können wir Heldinnen und Helden des 8. März werden, wenn wir den Bahnstreik unterstützen: weil wir wissen, dass wir alle diese drei Stunden weniger Lohnarbeit dringend nötig haben. Wir ganz persönlich, der feministische Kampf ganz speziell, und am Ende: die Demokratie.

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