Autozulieferer: Continental will weiteres Werk schließen – 1800 Jobs in Aachen betroffen
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Continental will bis Ende 2021 das Reifenwerk in Aachen schließen.
Genau zwei Wochen nach der Veröffentlichung des verschärften Sparprogramms erreicht die Auseinandersetzung zwischen den Arbeitnehmervertretern und dem Continental-Management um Konzernchef Elmar Degenhart und Personalchefin Ariane Reinhart die nächste Eskalationsstufe. Die Mitarbeiter des Reifenwerkes in Aachen wurden am Dienstag darüber informiert, dass ihr Werk bis Ende 2021 geschlossen werden soll. Mehr als 1800 Mitarbeiter sind betroffen. Das Unternehmen begründet die Schließung mit dem Abbau von Überkapazitäten.
Bislang galten die Sparmaßnahmen vor allem für die Automotive-Sparte. Dort bündelt Conti sein Geschäft mit Fahrzeugkomponenten und Software – das Kerngeschäft des Zulieferers aus Hannover. Seit Corona leidet die Sparte unter den sinkenden Pkw-Absatzzahlen.
Jetzt aber zeigt sich, dass der Vorstand auch beim Reifengeschäft massiv sparen will. Das zur Rubber-Sparte gehörende Segment konnte im zweiten Quartal immerhin noch einen kleinen Gewinn einfahren. Das Automotive-Geschäft hingegen rutschte tief in die roten Zahlen.
Die geplante Schließung eines Reifenwerks in Aachen wiegt daher besonders schwer. Dort würden laut der Chemiegewerkschaft IG BCE, die die Beschäftigten der Rubber-Sparte vertritt, „modernste und besonders margenträchtige Reifen“ gefertigt.
Für Empörung sorgt, dass laut IG BCE Teile der Produktion offenbar an Niedrigkostenstandorte verlagert werden sollen. „Dieses Vorhaben trifft uns ohne jegliche Vorwarnung“, sagte der Betriebsratsvorsitzende des Werks, Udo Bohnhof. „In der Krise verfällt der Vorstand auf längst überwunden geglaubte Managementmethoden. Das widerspricht zentralen Conti-Werten wie Vertrauen und Verbundenheit.“
Reifengeschäft wirft hohe Gewinne abDie Maßnahmen, die die Rubber-Sparte treffen, sind Teil des Anfang September verschärften Sparprogramms. Das sieht vor, die Kosten ab 2023 um jährlich bis zu einer Milliarde Euro zu senken. Ursprünglich sollten es 500 Millionen Euro sein. Um das zu erreichen, plant der Vorstand weitreichende Personalmaßnahmen. Statt 7000 Stellen stehen nun 13.000 Arbeitsplätze in Deutschland auf der Kippe. Weltweit steigt die Zahl von 20.000 auf 30.000 Stellen, die abgebaut werden könnten.
„Quer durch alle Sparten und Standorte in Deutschland haben die Kolleginnen und Kollegen in den vergangenen Jahren auf Einkommen in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro verzichtet. Sie wollten damit ihre Arbeitsplätze absichern“, erklärten Hasan Allak, Konzernbetriebsrat bei Conti und sein Stellvertreter Lorenz Pfau.
Continental habe gleichzeitig Profite in nie gesehenen Dimensionen verzeichnet und Aktionären immer neue Rekorddividenden gezahlt. „Jetzt in der Coronakrise will der Vorstand die Verbundenheit aufkündigen. Das darf nicht passieren!“, sagten Allak und Pfau.
Die IG BCE wirft der Unternehmensführung vor, dass die Mitarbeiter der eigentlich profitablen Reifenwerke für das schwächelnde Automotive-Geschäft geradestehen müssen. Außerdem würde der Konzern die eigenen Profitbestrebungen auf dem Rücken der Beschäftigten austragen.
Der Rubber-Sparte verdankt der Konzern die vergleichsweise hohen Margen der vergangenen Jahre. Selbst im schwierigen Geschäftsjahr 2019 lag die operative Gewinnmarge des Gesamtkonzerns bei über sieben Prozent. Das aber war nur möglich, weil das Reifengeschäft mit einem Ebit von fast 15 Prozent dazu beitrug.
Von solchen Margen ist das Automotive-Geschäft weit entfernt. Im vergangenen Jahr erreichte lediglich die Sparte Chassis & Safety (seit 2020 Vehicle Networking and Information) eine bereinigte Rendite von über sieben Prozent. Das Antriebsgeschäft erwirtschaftete so gut wie gar keinen Gewinn, die Rendite im Sensorik- und Softwarebereich lag bei unter fünf Prozent.
IG BCE kündigt Widerstand an„Der Kahlschlag im Rubber-Geschäft ist weder mit der Transformation der Autoindustrie zu begründen noch mit der Coronakrise. Das ist schlicht Streichen um des Streichens willen“, sagte Francesco Grioli, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der IG BCE und des Aufsichtsrats von Continental, am Dienstag in Hannover. Es könne nicht sein, dass die Beschäftigten florierender Sparten für Managementfehler im Autozuliefergeschäft bezahlen müssten.
„Das wird auf allen Ebenen auf unseren Widerstand stoßen“, kündigte Grioli an. „Was wir in der aktuellen Situation brauchen, sind intelligente Instrumente, um Anpassungen sozialverträglich umzusetzen und möglichst viele Fachkräfte an Bord zu halten – und kein Kopfzahlen-Management aus dem vergangenen Jahrhundert.“
Das harte Vorgehen des Managements steht im Widerspruch zu den Aussagen von Ariane Reinhart. Die Conti-Personalvorständin hatte in den vergangenen Monaten für eine kollektive Absenkung der Arbeitszeit und für Weiterbildungsmaßnahmen plädiert, um Arbeitsplatzabbau zu verhindern. Reinhart erklärte, dass der Vorstand das Gespräch mit den Arbeitnehmervertretern suche.
Doch von Verhandlungen könne laut Gewerkschaftskreisen nicht die Rede sein. Demnach gäbe es entgegen den Aussagen des Conti-Managements bislang noch keine wirklichen Verhandlungen mit dem Unternehmen.
Christiane Benner, zweite Vorsitzende der IG Metall und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende von Continental, kritisiert das Management daher für diese „kurzsichtige Antwort auf wirtschaftliche Probleme“. Und fügt hinzu: „Ich bleibe dabei: Das Conti-Management muss endlich eine auf die Zukunft gerichtete Geschäftsstrategie vorlegen. Wir werden nicht zulassen, dass ein Traditionskonzern kaputtgespart wird.“
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