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Messner spricht von Folge des Klimawandels : Mindestens sechs Tote nach Gletscherbruch in den Dolomiten – weitere Opfer befürchtet

Messner spricht von Folge des Klimawandels  Mindestens sechs Tote nach Gletscherbruch in den Dolomiten  weitere Opfer befürchtet
Die gewaltige Lawine an der Marmolata riss voraussichtlich auch Deutsche in den Tod. Extrembergsteiger Messner rechnet mit weiteren Vorfällen dieser Art.
Update 09:51 Uhr
Messner spricht von Folge des Klimawandels : Mindestens sechs Tote nach Gletscherbruch in den Dolomiten – weitere Opfer befürchtet

Die gewaltige Lawine an der Marmolata riss voraussichtlich auch Deutsche in den Tod. Extrembergsteiger Messner rechnet mit weiteren Vorfällen dieser Art.

Dieses Foto der italienischen Bergwacht zeigt den Gletscherbruch an der Marmolata in den Dolomiten.
Dieses Foto der italienischen Bergwacht zeigt den Gletscherbruch an der Marmolata in den Dolomiten.Foto: Corpo Nazionale Soccorso Alpino e Speleologico/Handout via REUTERS

Nach dem folgenschweren Gletschersturz mit mindestens sechs Toten in Norditalien geht das Auswärtige Amt davon aus, dass Deutsche in das Unglück involviert sind. Nach bisherigem Stand handle es sich um zwei Personen, sagte eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur am Montag. Weitere Angaben machte das Auswärtige Amt zunächst nicht.

Der Honorarkonsul in Bozen und die deutsche Botschaft in Rom stünden im ständigen Austausch mit den italienischen Behörden, hieß es weiter.

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Unterdessen setzen die Einsatzkräfte die Suche nach Vermissten an der Flanke des Berges Marmolata fort. Sie haben dabei aber kaum noch Hoffnung, unter den Eis-, Schnee- und Felsmassen weitere Überlebende zu finden. Das sagte Walter Cainelli von der Bergrettung der norditalienischen Provinz Trentino am Sonntagabend.

Gut ein Dutzend Menschen wurden am Sonntagabend vermisst, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Auf dem Parkplatz am Fuße des Bergmassivs, von dem die Aufstiegswege los gehen, wurden 16 Autos gezählt, deren Halter noch nicht ausfindig gemacht wurden.

„Wir wissen noch nicht, ob die Wagen den toten oder vermissten Personen gehören oder Leuten, die nichts mit dem Unfall zu tun haben“, sagte der Regionalpräsident von Trentino-Südtirol, Maurizio Fugatti. Bis zu 14 Bergsportler wurden bei der Bergkatastrophe verletzt, einer von ihnen schwer. Über die Nationalitäten wurde zunächst nichts bekannt.

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Die Such- und Bergungsarbeiten an der Marmolata, dem höchsten Berg der Dolomiten, waren am Sonntagabend unterbrochen worden, weil die Gefahr bestand, dass weitere Eisblöcke abgehen könnten. Das gesamte Gebiet rund um den Gletscher wurde für die Öffentlichkeit gesperrt.

Messner sieht Erderwärmung als Ursache

Extrembergsteiger und Umweltschützer Reinhold Messner sieht in dem Unglück eine Folge des Klimawandels und der Erderwärmung. „Diese fressen die Gletscher weg“, sagte der 77-Jährige im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

An den Abbruchkanten der Gletscher bilden sich dann sogenannte Eistürme - Seracs genannt - „die so groß sein können wie Wolkenkratzer oder Häuserzeilen“, erklärte Messner. Vorfälle wie an der Marmolata „werden wir häufiger sehen“, prognostizierte er, denn „heute gibt es viel mehr Fels- und Eisabbrüche als früher“.

Reinhold Messner am 28. Dezember 2021 in Bhaktapur, Nepal.
Reinhold Messner am 28. Dezember 2021 in Bhaktapur, Nepal.Foto: Amit Machamasi/ZUMA Wire/Imago

Und diese können dann furchtbare Folgen haben wie am Sonntag auf dem Massiv an der Grenze zwischen den Regionen Trentino-Südtirol und Venetien. Der sichtlich geschockte Bergretter Luigi Felicetti berichtete von dem Einsatz: „Als wir vor Ort ankamen, bot sich uns ein unglaubliches Bild. Überall lagen Eisblöcke und riesige Steine.“

„Unvorstellbares Blutbad“

Die Nachrichtenagentur Ansa zitierte Ermittler, wonach sich an dem Berg ein „unvorstellbares Blutbad“ abgespielt habe, nach dem „es schwer sein wird, die Identität der Opfer festzustellen, denn die Körper wurden zerstückelt“ von den Eis- und Steinbrocken.

Auf etlichen Handyvideos war zu sehen, wie die Lawine über die Felswände des Massivs in Tal stürzte. Sie pflügte auch über einen der Hauptzugangswege auf den 3343 Meter hohen Berg, auf dem sich mehrere Seilschaften befanden. Mindestens zwei wurden getroffen.

Ein Sprecher der italienischen Bergrettung sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass zunächst unklar war, ob neben den Seilschaften auch noch einzelne Bergsteiger an den Unglücksstellen unterwegs waren.

Sämtliche Bergretter der Gegend aus den Regionen Venetien und Trentino-Südtirol wurden alarmiert. Fünf Helikopter flogen sie auf den Berg und bargen die Toten und Verletzten. Einige Hundestaffeln kamen zum Einsatz, um nach weiteren Opfern zu suchen.

„Schlimmstmöglicher Zeitpunkt und Tag“

Carlo Budel, der Hüttenwirt der Schutzhütte Capanna Punta Penia, sprach in einem Instagram-Video vom „schlimmstmöglichen Zeitpunkt und Tag, an dem sich der Brocken lösen konnte“.

Menschen nahe des Gletscherbruchs in den Dolomiten.
Menschen nahe des Gletscherbruchs in den Dolomiten.Foto: --/Corpo Nazionale Soccorso Alpino e Speleologico/dpa

Kurz nach Mittag waren an dem sommerlichen Sonntag unzählige Bergsteigerinnen und Bergsteiger an dem beliebten Massiv unterwegs. Budel forderte alle Alpinisten auf, bis auf Weiteres nicht auf die Marmolata zu kommen. „Bleibt so weit wie möglich von diesem Gletscher weg“, mahnte der Hüttenwirt.

„Wir haben ein lautes Geräusch gehört, typisch für einen Bergsturz“, sagte ein Augenzeuge der Nachrichtenagentur Ansa. „Danach sahen wir eine Lawine von Schnee und Eis in hoher Geschwindigkeit in Richtung Tal stürzen und wir wussten, dass etwas Schlimmes passiert ist.“

Bergretter Luigi Felicetti berichtete: „Als wir vor Ort ankamen, bot sich uns ein unglaubliches Bild. Überall lagen Eisblöcke und riesige Steine. Wir haben dann angefangen, nach den Leuten zu suchen.“

Ministerpräsident Mario Draghi sprach den Opfern und Angehörigen am Abend sein Beileid aus und kündigte an, sich vom Zivilschutz und den regionalen Politikern auf dem Laufenden halten zu lassen.

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Zur Ursache des Unglücks gab es zunächst keine offiziellen Angaben - allerdings deutet alles darauf hin, dass die hohen Temperaturen der vergangenen Tage, Wochen und Monaten eine Rolle spielen dürften. Erst am Samstag wurde nach Medienberichten auf dem Gipfel des Berges ein Rekordwert von zehn Grad gemessen.

„So etwas habe ich auf der Marmolata noch nie gesehen. Das war keine normale Lawine wie im Winter“, sagte ein Bergretter. Er verglich das Unglück mit einem Gebäude und sprach von einem „strukturellen Versagen“.

Italien registrierte im vorigen Winter viel weniger Niederschlag als gewöhnlich, der Schnee fehlt vielen Gletschern nun als Schutz gegen die Sonne und die warmen Temperaturen. (dpa)

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