Hakle: Toilettenpapierhersteller hat Insolvenzverfahren angemeldet
Der Toilettenpapierhersteller Hakle kämpft ums Überleben. Das Familienunternehmen aus Düsseldorf hat ein sogenanntes Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung angemeldet. Grund für die Schieflage sind die stark gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise, meldet der Mittelständler mit fast 100 Jahren Tradition und bekannten Marken wie Hakle, Hakle Feucht, dick & durstig oder Servus. „Die massiv gestiegenen Kosten konnten bislang nicht im zeitlich und/oder wirtschaftlich hinreichenden Umfang an die Kunden im Lebensmitteleinzelhandel und dem Drogeriesektor weitergegeben werden.“
Bei einer Eigenverwaltung bleibt das bestehende Management an Bord, wird aber unterstützt von Sanierungsexperten, in diesem Fall von Jan-Philipp Hoos von der Kanzlei White&Case als sogenannter vorläufiger Sachwalter. Zur Seite stehen ihm und Geschäftsführer Volker Jung zudem Teams der Kanzlei McDermott Will&Emery und der Adiutor Management- und Beratungsgesellschaft (AMBG). „Die Eigenverwaltung bietet uns die notwendige Flexibilität und Geschwindigkeit, um unseren Betrieb nachhaltig zu sanieren und ganz im Sinne unserer Mitarbeiter, Kunden und Gläubiger neu aufzustellen“, begründet Unternehmer Jung. Wichtige Kunden und Partner des Unternehmens hätten auch bereits ihre Unterstützung signalisiert.
Das Thema Energieversorgung ist für die gesamte Branche derzeit eine große Belastung. Das hat der Verband Die Papierindustrie erst kürzlich wieder betont und sogar vor Versorgungsengpässen gewarnt. Denn für die Produktion würden große Mengen Gas benötigt. Weil der Preis zuletzt aber immer neue Rekordhöhen erreicht hat, gab es in den vergangenen Monaten regelmäßig vorübergehende Produktionsstopps bei den Herstellern. „Die Produktion hat sich einfach nicht mehr gerechnet“, begründet Gregor Andreas Geiger, der Geschäftsführer Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit beim Papierindustrieverband.
Zwar sucht die Branche nach Alternativen beim Thema Energieversorgung. „Wo möglich, wird versucht, den Bedarf durch Kohle, Heizöl oder Strom zu decken. Bislang können aber maximal zehn bis 15 Prozent des Erdgaseinsatzes substituiert werden“, berichtet Geiger. „Ziel vieler Unternehmen seien Anlagen, die mit Wasserstoff betrieben werden. Und theoretisch ginge das vielerorts auch schon“, weiß der Experte. Allein die nötigen Wasserstoffmengen fehlen. „Gas ist bis dahin die Zwischenlösung.“
Hakle ist der erste bekannte Markenhersteller aus der Konsumgüterindustrie, der aufgrund der Folgen des Ukraine-Krieges zum Insolvenzgericht musste. Der Geschäftsbetrieb läuft erstmal unverändert weiter, die Löhne und Gehälter der rund 225 Mitarbeiter werden für drei Monate über das Insolvenzausfallgeld der Bundesagentur für Arbeit bezahlt.
Hakle sieht sich als Opfer der aktuellen Ereignisse mit zunächst der Corona-Krise und einer Welle von Hamsterkäufen und anschließend dem Ukraine-Krieg und dessen Auswirkungen. „Die energieintensive Papierindustrie unterliegt seit dem Beginn der Corona-Pandemie 2020 starken Verwerfungen im global agierenden Rohstoff-, Logistik- und Energiemarkt“, heißt es in der Mitteilung des Unternehmens. Seit Herbst 2021 gebe es nun eine „als historisch zu bezeichnende Verschärfung der Lage“, vor allem im Gas- und Stromsektor.
Mit Hakle erwischt es einen Konsumgüterhersteller mit großer Tradition. Gegründet wurde das Unternehmen 1928 in Ludwigsburg von Namensgeber Hans Klenk, der einfach jeweils die ersten beiden Buchstaben seines Vor- und Nachnamens für Firma und Produkt genutzt hat. Er brachte damals die erste Toilettenpapierrolle mit garantiert 1000 Blatt auf den deutschen Markt. Ende der 1990er-Jahre begann dann eine wechselvolle Episode in der Firmengeschichte mit verschiedenen Eigentümern, darunter Kimberly-Clark, selbst einer der größten Anbieter im Hygienepapier-Markt, und später einem Finanzinvestor.
Traditionsreicher Hersteller von KonsumgüternIn diese Phase fiel auch der Umzug von Ludwigsburg nach Düsseldorf an einen Standort im Stadtteil Reisholz an dem schon seit 1905 Papier erzeugt wird. Seit 2019 nun gehört Hakle jeweils zur Hälfte Geschäftsführer Jung und dem Investor Crosslantic.
Die große Bekanntheit von Hakle gründet nicht zuletzt auf der Innovationskraft des Unternehmens. So hat Hakle nach eigenen Angaben 1972 das erste dreilagige und zehn Jahre später das erste vierlagige Toilettenpapier auf den deutschen Markt gebracht. Dazu kommt 1977 die Erfindung von Hakle Feucht, dem ersten feuchten Toilettenpapier. Und bis heute steht dieser Markenname als Synonym für die gesamte Produktkategorie. Bei der Firmengröße steht Hakle mit seinen zuletzt knapp 80 Millionen Euro Jahresumsatz hingegen zurück hinter anderen Anbietern wie Wepa, Essity oder Kimberly-Clark.
In Summe gibt es hierzulande knapp zehn Hersteller, die quer durch die Republik rund 750.000 Tonnen Toilettenpapier pro Jahr produzieren, meldet der Verband Die Papierindustrie. Das entspricht einem Anteil von 3,4 Prozent an der gesamten Papierproduktion hierzulande. Rund ein Sechstel der Produktion geht ins Ausland, umgekehrt kommt Ware in ähnlicher Größenordnung von ausländischen Herstellern wieder zurück.
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