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Bundespräsident Steinmeier: Anschlag in Hanau war Angriff auf ...

Bundespräsident Steinmeier Anschlag in Hanau war Angriff auf
Fünf Jahre nach dem rassistischen Anschlag von Hanau haben Politiker und Hinterbliebene der Opfer bei einer offiziellen Gedenkstunde gedacht. Doch eine Opferfamilie blieb bewusst fern – und eine Partei wurde ausgeschlossen.

Fünf Jahre nach dem rassistischen Anschlag von Hanau haben Politiker und Hinterbliebene der Opfer bei einer offiziellen Gedenkstunde gedacht. Doch eine Opferfamilie blieb bewusst fern – und eine Partei wurde ausgeschlossen.

Die Erinnerung an das Attentat sei eine "immerwährende Mahnung, jede Form von Gewalt und Hass mit aller Konsequenz zu bekämpfen", sagte der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) am Mittwoch zur Eröffnung der Gedenkveranstaltung im Hanauer Congress Park.

Fünf Jahre nach dem Anschlag von Hanau erinnerte die Stadt gemeinsam mit dem Land an die am 19. Februar 2020 ermordeten neun Bürger aus Einwandererfamilien: Kaloyan Velkov, Sedat Gürbüz, Fatih Saraçoğlu, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Gökhan Gültekin, Said Nesar Hashemi, Hamza Kurtović und Ferhat Unvar.

Ein 43 Jahre alter Deutscher hatte sie aus rassistischen Motiven an mehreren Tatorten erschossen. Danach tötete er seine Mutter und sich selbst.

Videobeitrag

Video 02:52 Min.|19.02.25, 19:30 Uhr|hessenschau

Gedenkstunde zum fünften Jahrestag der Morde in Hanau

hs 19.02.2025Video

Bild © hessenschau.de

Ende des Videobeitrags

Hass sei eine reale Gefahr, sagte Rhein: "Leider müssen wir heute, fünf Jahre später, sagen: Er ist es bis heute. Und er ist teilweise ein politisches Geschäftsmodell." Wir alle trügen die Verantwortung dafür, "dass Hass und Hetze unsere Gesellschaft nicht unwidersprochen spalten können".

"Anschlag auf unser Land"

An der Gedenkveranstaltung unter dem Motto "Gemeinsam gedenken - für Zusammenhalt und Zukunft" nahm auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) teil. "Deutschland, unser gemeinsames Land, nimmt heute Anteil an Ihrem Schmerz und Ihrer Trauer", sagte Steinmeier an die Hinterbliebenen gerichtet.

"Der Täter zielte damals nicht auf uns alle, aber seine Tat geht uns alle an." Die rechtsextremistisch motivierten Morde von Hanau seien "ein Anschlag auf das friedliche Zusammenleben in unserem Land" gewesen: "Sie waren ein Anschlag auf die offene Gesellschaft und unsere liberale Demokratie", sagte der Bundespräsident.

Nicht alle Opfer-Familien nahmen teil

Nicht alle Opfer-Familien nahmen an der offiziellen Gedenkfeier teil. Die Eltern des ermordeten Hamza Kurtović blieben der Veranstaltung fern. Es entstehe das falsche Bild von Politikern, die an der Seite der Angehörigen stehen, sagte Vater Armin Kurtović dem hr vor der Veranstaltung. Sein Sohn zählte zu den Opfern, die in der Arena-Bar in Hanau-Kesselstadt erschossen wurden.

Bildergalerie

Bildergalerie 9 Bilder

Ermordet am 19. Februar 2020 in Hanau

Bild 1/9 |Kaloyan Velkov Kaloyan Velkov kam 2018 aus Bulgarien nach Deutschland. Er arbeitete in der Bar La Votre in der Hanauer Innenstadt - auch in der Tatnacht. Der Vater eines Kindes wurde 33 Jahre alt. Bild © Illustration: Inga Reichert (hr)| zur Galerieansicht
Bild 2/9 |Sedat Gürbüz Dem 29-Jährigen gehörte die Shisha-Bar Midnight am Heumarkt. Dort erschoss ihn der rechtsextremistische Attentäter. Die Familie von Sedat Gürbüz stammt aus der Türkei. Bild © Illustration: Inga Reichert (hr)| zur Galerieansicht
Bild 3/9 |Fatih Saraçoğlu Seinen Mörder traf Fatih Saraçoğlu, als er mit einem Freund zum Rauchen vor der Shisha-Bar Midnight stand. Der 34-Jährige war mit seiner Freundin wenige Jahre zuvor von Regensburg (Bayern) nach Hanau gezogen. Dort wollte er sich selbstständig machen. Bild © Illustration: Inga Reichert (hr)| zur Galerieansicht
Bild 4/9 |Vili Viorel Păun Vili Viorel Păun zog als Jugendlicher von Rumänien nach Deutschland. Zuletzt arbeitete der 22-Jährige als Kurierfahrer - auch in der Tatnacht war er mit seinem Lieferwagen unterwegs, als er in der Innenstadt den Attentäter bemerkte und ihn, da er den Notruf der Polizei nicht erreichte, nach Kesselstadt verfolgte. Er war das einzige Kind seiner Eltern. Bild © Illustration: Inga Reichert (hr)| zur Galerieansicht
Bild 5/9 |Mercedes Kierpacz Die Romni mit polnischen Wurzeln arbeitete in der Arena-Bar in Hanau-Kesselstadt, einer Bar mit Kiosk. Am 19. Februar 2020 wollte sie dort nur eine Pizza für ihre beiden Kinder holen, eigentlich hatte sie frei. Der Attentäter erschoss sie, sobald er den Laden betrat. Mercedes Kierpacz wurde 35 Jahre alt. Bild © Illustration: Inga Reichert (hr)| zur Galerieansicht
Bild 6/9 |Gökhan Gültekin Der gelernte Maurer führte ein Transportunternehmen. Zur Welt kam er in Hanau, wohin seine Eltern aus dem kurdischen Teil der Türkei gezogen waren. Gökhan Gültekin wurde am 19. Februar 2020 ermordet. Er war 37 Jahre alt. Bild © Illustration: Inga Reichert (hr)| zur Galerieansicht
Bild 7/9 |Said Nesar Hashemi Er schaute mit seinem Bruder Said Etris und Freunden an jenem Abend ein Fußballspiel in der Arena-Bar. Said Nesar Hashemi wuchs in Hanau auf und hatte Maschinen- und Anlagenführer gelernt, seine Familie kam aus Afghanistan. Er starb mit 21 Jahren. Bild © Illustration: Inga Reichert (hr)| zur Galerieansicht
Bild 8/9 |Hamza Kurtović Seine Familie stammt aus Bosnien-Herzegowina, er und seine Geschwister wurden in Deutschland geboren und wuchsen in Hanau auf. Der 22-Jährige hatte seine Ausbildung zum Lageristen abgeschlossen. Hamza Kurtović wurde in der Arena-Bar ermordet. Bild © Illustration: Inga Reichert (hr)| zur Galerieansicht
Bild 9/9 |Ferhat Unvar Seine Eltern sind Kurden, er kam in Deutschland zur Welt und wuchs in Hanau auf. Der Gas- und Wasserinstallateur wurde 23 Jahre alt. Er traf sich oft mit Freunden in der Arena-Bar, auch in der Tatnacht. Seine Mutter Serpil Unvar gründete die "Bildungsinitiative Ferhat Unvar". Bild © Illustration: Inga Reichert (hr)| zur Galerieansicht
Ende der Bildergalerie

Kurtović wirft unter anderem dem Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) vor, keine Verantwortung für einen mutmaßlich verschlossenen Notausgang in der Arena-Bar zu übernehmen. Der SPD-Politiker weist die Kritik von sich. Ministerpräsident Rhein hält Kurtović vor, in der Sache entgegen einer früheren Zusage keine unabhängige Untersuchung zu veranlassen.

Steinmeier mahnt zu Zusammenhalt

Steinmeier ging indirekt auf die anhaltenden Konflikte zwischen Opfer-Angehörigen, Stadt Hanau und Land Hessen ein. "Als Ihr Bundespräsident sage ich Ihnen heute: Es schmerzt mich zutiefst, dass der Staat ihre Angehörigen nicht hat schützen können."

Ebenso schmerze ihn, dass sich die Hinterbliebenen nach der Tat vom Staat alleingelassen gefühlt hätten. "Ich bitte dennoch alle Seiten: Bleiben Sie miteinander im Gespräch und gehen Sie aufeinander zu."

Teils harsche Kritik von Angehörigen

Den versöhnlichen und mahnenden Botschaften des Minister- und des Bundespräsidenten, stand die teils harsche Kritik von Opfer-Angehörigen gegenüber. "Dieses Ereignis ist ein Schandfleck in der Geschichte der Stadt Hanau und Deutschlands", erklärte Emis Gürbüz, Mutter des ermordeten Sedat Gürbüz, "Deutschland und die Stadt Hanau schulden mir ein Leben."

Sie könne die Entschuldigungen von Vertretern der Stadt und der Landesregierung nicht annehmen. Die zahlreichen Behördenfehler vor der Tat hätten nie passieren dürfen. Ebenso sei es "eine Schande", dass fünf Jahre nach dem Anschlag immer noch kein Denkmal errichtet worden sei.

Bringschuld nicht erfüllt

Çetin Gültekin, Bruder des Anschlag-Opfers Gökhan Gültekin, erinnerte in seiner Rede daran, dass Steinmeier am ersten Jahrestag Aufklärung als "eine Bringschuld des Staates gegenüber den Angehörigen" bezeichnet habe: "Ich frage Sie und mich heute: Wo ist diese Bringschuld geblieben?"

Auch anderweitig müsse man sich fragen, was in den letzten fünf Jahren erreicht worden sei. "Denn 2020 wurde Hanau als Zäsur bezeichnet. Doch wo stehen wir heute? Es tobt ein rassistischer Wahlkampf. Er wird von der AfD angetrieben. Doch andere Parteien machen dabei mit."

AfD nicht eingeladen

Vertreter der AfD nahmen auf Wunsch der Opferfamilien nicht an der Veranstaltung teil. Ein Sprecher des Hanauer Oberbürgermeisters Kaminsky erklärte auf hr-Anfrage, der OB habe dem Ministerpräsidenten geschrieben, dass die Teilnahme von AfD-Politikern "auf entschiedene Ablehnung" bei den Opferfamilien stoßen würde.

Der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Landtag, Robert Lambrou, warf der Staatskanzlei daraufhin schlechten Stil vor. Sie habe erst auf hartnäckiges Nachfragen mitgeteilt, dass es Einladungen gab und warum die AfD keine erhielt. Man habe offenbar gehofft, "dass wir gar nicht erst merken, dass wir nicht eingeladen sind".

"Erinnerung ist Verantwortung"

"Die Politik bringt Extremismus und Radikalismus hervor. Und das ist eine große Gefahr für uns alle und für Deutschland", erklärte Serpil Temiz Unvar, Mutter des ermordeten Ferhat Unvar. In Gedenken an ihren Sohn habe sie eine Bildungsinitiative gegründet, die erfolgreich mit Jugendlichen arbeite.

"Leider erhalte ich in letzter Zeit, insbesondere in den vergangenen Tagen mit den bevorstehenden Wahlen, extrem viele hasserfüllte Nachrichten", berichtete Unvar.

Eine Plakatwand erinnert an den rassistischen Anschlag in der Stadt; auf den Plakaten Bilder von Ermordeten und Appelle wir
tagesschau.de

"Erinnerung ist nicht nur ein Glück. Erinnerung ist Verantwortung. Verantwortung, die wir alle tragen, weil Hanau kein Einzelfall war", erklärte Said Etris Hashemi, der in der Tatnacht seinen Bruder Said Nesar verlor und selbst schwer verletzt wurde.

"Die bittere Realität ist, wenn Populismus, rassistische Rhetorik und Feindbilder salonfähig werden, dann gibt es Menschen in diesem Land, die sich damit bestätigt fühlen. Und dann passiert das, was vor fünf Jahren in Hanau passiert ist", so Hashemi.

OB Kaminsky: Hanau handelt

Die Gedenkveranstaltung endete am Mittag mit eine Rede von Oberbürgermeister Kaminsky. "Hanau erinnert sich, aber Hanau zieht auch seine Schlüsse aus dem Geschehenen und handelt", erklärte der SPD-Politiker. Sichtbare Zeichen dafür seien das neu eingerichtete Amt für Sozialen Zusammenhalt und das "Haus für Demokratie und Vielfalt", dessen Bau in Kürze beginnen soll.

"Wir können das Geschehene nicht ungeschehen machen. Aber wir können uns mit aller Kraft dafür einsetzen, dass Hass und Intoleranz keinen Boden finden, auf dem sie gedeihen können", sagte Kaminsky.

Mahnwache an beiden Tatorten

Die offizielle Gedenkfeier wurde am Mittwoch von weiteren Veranstaltungen flankiert. Mehrere Hanauer Kirchen waren am Mittwoch für ein Gedenken geöffnet. An den Gräbern der auf dem Hanauer Hauptfriedhof bestatten Anschlag-Opfer wurden von einem Imam zwei muslimische Totengebete abgehalten.

Trauerkundgebungen fanden außerdem an den Gräbern weiterer Opfer auf Friedhöfen in Offenbach und Dietzenbach im Kreis Offenbach statt.

Am Mittwochabend will die Initiative 19. Februar, in der sich Angehörige und Freunde der Opfer sowie deren Unterstützer zusammengeschlossen haben, an den beiden Tatorten der Toten gedenken. Im Namen von Stadt, Land und Bund werden auch außerhalb Deutschlands und Hessens Blumen- und Kranzniederlegungen an den Grabstätten der Opfer organisiert: in Bulgarien, Rumänien und in der Türkei.

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