Handball-WM 2025: Deutschland mit Sorgen in der Defensive vor ...
Auf der Suche nach der verlorenen Abwehrstärke klingt Handball-Nationalspieler Johannes Golla ratlos. „Es fehlt das blinde Verständnis“, sagt er oder: „Wir verlieren die Zweikämpfe zu leicht.“ Oder am deutlichsten: „Wir suchen die stabile Abwehr. Danach sehnen wir uns.“ Im Idealfall bilden die beiden Innenverteidiger eine menschliche Mauer, während die Halbverteidiger versuchen, gegnerische Würfe aus dem Rückraum zu verhindern oder zu blocken. Das ergibt ein Schieben, Schubsen und Zerren, ein Klammern und Halten: Kampf um jeden Zentimeter. Abwehrarbeit ist schweißtreibend und tut weh. Auch am Tag danach.
In allen Turnieren der jüngeren Vergangenheit basierte das deutsche Spiel auf einem simplen Prinzip – dank starker Torhüter und harter Abwehr war die Handball-Nationalmannschaft konkurrenzfähig. Die Offensive galt zu Beginn der Jahre von Bundestrainer Alfred Gislason personell und taktisch als Großbaustelle. Das hat sich in diesen nun endenden Tagen von Herning geändert: Mit knapp 32 Treffern pro Partie stellen die Deutschen den achtbesten Angriff dieser Drei-Länder-Weltmeisterschaft in Kroatien, Dänemark und Norwegen. Im Defensiv-Ranking stehen sie nur auf Rang zwölf.
Gegen fünf Gegner aus dem mittleren oder unteren Regal fiel das nicht ins Gewicht – doch selbst gegen die Tschechische Republik (David Späth) oder Italien (Andreas Wolff) brauchte es starke Torhüter, um souveräne Siege herauszuspielen. Die Abwehr blieb löchrig.
Spieler sind krank, verletzt oder wirken erschöpft
Das wirkte auch am Samstagabend in der Jyske Bank Box nicht sehr viel überzeugender, als Gislason die Vielspieler schonte und beim im Prinzip bedeutungslosen 31:19 gegen Tunesien zusah, wie David Späth 21 Mal die Hände, Füße oder andere Körperteile an den Ball brachte und seinem Team einen Abschluss-Spaziergang durch Mitteljütland verschaffte. Elf Tore Marko Grgics erhöhten die Quote der Deutschen aus dem Rückraum. Fünf Siege, eine Niederlage – sie reisen als Zweiter der Hauptrundengruppe eins hinter Dänemark nach Oslo. Dort geht es am Mittwoch gegen Portugal oder Brasilien im Viertelfinale weiter.
„Ich bin froh, dass wir zwei Abwehrsysteme haben“, sagte Gislason und schob murmelnd hinterher: „Auch wenn Hannover bisher nicht so funktioniert hat.“ Die Standard-Deckung mit Golla und Julian Köster arbeitet weiter am Verständnis. Golla ist müde, und seine rechte Schulter schmerzt. Köster war schwer am Knie verletzt, hatte zudem eine Bronchitis und wirkt erschöpft. „Wir konnten uns nicht wie gewohnt einspielen“, klagt Golla, der erklärt: „Es gibt vielfältige Gründe, warum wir die Aggressivität bisher nicht so gut hinbekommen haben. Manchmal reicht es schon, wenn man den Kopf in die falsche Richtung dreht. Dann kommt man zu spät in den Zweikampf.“
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Offenbar braucht es eine einstudierte Choreographie, um als Abwehr-Duo auf der Höhe zu sein. Hinzu kommt ein verletzter Kollege, den Golla stark vermisst: „Uns fehlt Sebastian Heymann sehr. Er hatte bei Olympia eine super Rolle.“ Der Profi von den Rhein-Neckar Löwen ist das personifizierte Stopp-Zeichen – aber leider in der Reha. Auch den beweglichen, kleinen, erfahrenen Jannik Kohlbacher hätten Gislason, Golla und Köster gern dabei: Unerschrocken, gut gelaunt und immer locker, versieht er seinen Dienst – wenn er nicht gerade am Ellenbogen operiert wurde.
Die Momente der Erholung waren rar für Golla und Köster; in den wichtigen Spielen beinahe nicht existent. Denn „Hannover“ mit Junior Justus Fischer und Arbeiter Lukas Stutzke ließ sich auch von nominell schwächeren Gegner auswackeln. Fischer findet langsam ins Turnier, Stutzke wurde von einer Erkältung ausgebremst.
Die Mischformen und Notlösungen mit Spielern aus der A- und der B-Deckung erwiesen sich als wenig hilfreich. Die vielgepriesene offensive Variante mit Julian Köster auf der Spitze als Störenfried des gegnerischen Spielmachers kam noch gar nicht zum Einsatz – auch, weil sie kräftezehrend ist.
Hoffnung für das erste K.-o.-Spiel dieses Turniers macht Marian Michalczik. Ihn bestellte der DHB am Donnerstag als vierten Spieler der TSV Hannover-Burgdorf ein, weil Juri Knorr mit Halsschmerzen und Schluckbeschwerden nach Flensburg zum Arzt reiste. Regisseur Michalczik spielt auch in der Innenverteidigung; gegen Tunesien sah das schon ganz gut aus.
Während der DHB weiter auf Knorr setzt, ist Franz Semper abgereist – der Leipziger, der dem Spiel gegen Italien am Donnerstag mit fünf Treffern seinen Stempel aufdrückte, ist der große Pechvogel; wieder hindert ihn eine muskuläre Verletzung am Weitermachen. Auch er gilt als kompetenter Abwehrspieler, den man nach Angriffen nicht für einen Deckungsspezialisten austauschen muss, was Gislason angesichts des gegnerischen Tempos schätzt. Das Puzzeln um die beste Defensive geht für Alfred Gislason bei dieser Weltmeisterschaft also weiter.