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Besondere Gäste zum Holocaust-Gedenktag

Besondere Gäste zum HolocaustGedenktag
Schulleiter der Humboldtschule Reiner Klausing und Bürgermeister Michael Brosch freuten sich sehr über Laubingers (Mitte) Besuch. © Niecke.
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Erstellt: 28.01.2023, 08:00 Uhr

Von: Torben Niecke, Ursula Dettlaff

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Schulleiter der Humboldtschule Reiner Klausing und Bürgermeister Michael Brosch freuten sich sehr über Laubingers (Mitte) Besuch. © Niecke

Zum Holocaust-Gedenktag wurden an den Halver Sekundarschulen Vorträge gehalten. Am AFG referierte Professor Dr. Thomas Weber über die Machtergreifung der Nationalsozialisten. In der Aula der Humboldtschule erzählte Ricardo Lenzi Laubinger über die Verfolgung der Sinti im Dritten Reich.

Halver – Professor Dr. Thomas Weber, geboren 1974 in Hagen, lehrt seit 2013 Geschichte und internationale Politik an der University of Abeerdeen. Zur Zeit hat er eine Gastprofessur in Toronto.

Er ist ehemaliger Schüler des Anne-Frank-Gymnasiums. Weber schrieb mehrere Bücher, die die Zwischenkriegszeit und den Nationalsozialismus thematisieren. Am gestrigen Freitag, am Holocaust Gedenktag, hielt er einen Vortrag an seiner alten Schule. Thomas Weber ist Herausgeber des Buches „Als die Demokratie starb – Die Machtergreifung der Nationalsozialisten – Geschichte und Gegenwart“.

Natürlich gehe es um das „Nie wieder“, hob er hervor. Er ging der Frage nach, ob man mehr lernen könne von einem Staat, in dem die Demokratie gescheitert sei, oder von jenem, in dem sie in der Zwischenkriegszeit überlebt habe. Als Beispiel zog er die Niederlande heran. Der dortige Regierungschef während der Weimarer Republik war Hendrikus Colijn. „Was sind die Schulbucherklärungen für das Scheitern der Weimarer Republik?“, fragte Weber.

Professor Dr. Thomas Weber war selbst Schüler am Anne-Frank-Gymnasium.
Professor Dr. Thomas Weber war selbst Schüler am Anne-Frank-Gymnasium. © Dettlaff-Rietz, Ursula

In beiden Parlamenten saßen 15 bis 17 Parteien. Durch zu viele Splitterparteien sei keine stabile Politik möglich. Aus diesem Grund hat man in Deutschland die fünf Prozent Hürde eingeführt. Außerdem war die Republik etwas Neues, nicht viele Menschen standen in Deutschland hinter dieser Regierungsform, so die Annahme. Auch in den Niederlanden gab es dunkle Punkte. „Es gibt Beispiele, wo das Überleben der Demokratie nur knapp war, wie in Frankreich“, führte Weber aus.

Begrüßten den Referenten (von rechts): Schulleiter Paul Meurer, Lehrerin Imke Otto, Professor Dr. Thomas Weber, Lehrer Malte Biedermann, Mitglieder der Schülervertretung und Lehrer Arne Luft.
Begrüßten den Referenten (von rechts): Schulleiter Paul Meurer, Lehrerin Imke Otto, Professor Dr. Thomas Weber, Lehrer Malte Biedermann, Mitglieder der Schülervertretung und Lehrer Arne Luft. © Dettlaff-Rietz, Ursula

Der Grund, warum die Demokratie in den Niederlanden überlebte, war: „Die Niederländische Elite hatte ein System geschaffen, das in der Lage war, flexibel auf Krisen zu reagieren. Man hat keinen Polizeistaat geschaffen. Es gab schon früh ein Uniformverbot“. Und noch etwas kam hinzu: Die niederländische Monarchie verhielt sich sehr Demokratie-unterstützend. Sie sahen ihr Überleben in der Demokratie. Die alten Eliten sollen ihren Platz in der Demokratie haben. „In den Niederlanden oder England unterstützten die konservativen Eliten die Demokratie“, so Weber.

Überleben in der Demokratie
Schülerinnen und Schüler der Q1 und Q2 folgten den Ausführungen von Professor Dr. Thomas Weber mit großem Interesse.
Schülerinnen und Schüler der Q1 und Q2 folgten den Ausführungen von Professor Dr. Thomas Weber mit großem Interesse. © Dettlaff-Rietz, Ursula

Wie kann man Krisen verhindern? Webers Antwort auf diese Frage lautete: „Indem man sich nicht nur die Produkte der Krisen, also ihre objektiven Folgen wie Arbeitslosigkeit und soziale Not, anschaut“. Es komme auf die Wahrnehmung an, ob die Situation eine Bedrohung für uns als Kollektiv oder persönlich darstelle. Hitler benutzte sehr oft den Begriff Krise. Wenn eine Regierung sagt, es sei ihre Aufgabe, Krisen vorauszusehen und darauf zu reagieren, habe das zur Folge, dass es Menschen gibt, die sagen: „Die können ja alle nix.“ Radikalisierung funktioniere heute schnell über die sozialen Medien. Weber forderte in diesem Zusammenhang ein Internet-Government. „Wir sollten nicht unterschätzen, wie stark und attraktiv unser eigenes Gesellschaftsmodell ist.“

Ricardo Lenzi Laubinger berichtet über die Verfolgung der Sinti anhand seiner Familiengeschichte in der Aula der Humboldtschule

„Wer die Wirklichkeit nicht kennt, der kann eine Wiederholung in Zukunft nicht verhindern“, beendete Ricardo Lenzi Laubinger seinen Vortrag an der Humboldtschule in Halver anlässlich des Holocaust-Gedenktages am 27. Januar.

Mit dem Holocaust verbindet die Allgemeinheit die systematische Ausrottung des jüdischen Volkes während des NS-Regimes, der circa sechs Millionen Menschen zum Opfer fielen. Doch die Juden waren nicht die einzige Völkergruppe, die aufgrund rassistischer Motivation verfolgt und ermordet wurde. Auch die Sinti und Roma erfuhren ein ähnliches Schicksal.

Laubinger selbst stammt aus einer Sinti-Familie, weshalb es ihm ein persönliches Anliegen ist, dass auch dieser Aspekt, der deutschen Geschichte nicht vergessen wird. Genau deshalb verfasste er das Buch „Und eisig weht der kalte Wind“, in dem er die Geschichte seiner Familie in der Zeit des Nationalsozialismus wiedergibt.

Grausame Schicksale in der Familie

Begleitet von Bildern ließ er auch die Schüler der Humboldtschule an dieser Zeitreise teilhaben. Laubinger nahm dabei kein Blatt vor den Mund. „Ich will der Geschichte ein Gesicht geben“, beschreibt Laubinger sein Vorgehen. Auf den Bildern, die er zeigt, sind zumeist seine Familienmitglieder oder Bekannte der Familie zu sehen, von denen er dann berichtet. Er sprach von seiner Mutter, die bereits als junges Mädchen Grausames erleben musste. In Konzentrationslagern verlor sie ihre gesamte Familie und musste dort 59 Monate ausharren. Oder aber das Schicksal seines Onkels, der zwar als hochdekorierter Veteran des ersten Weltkrieges von den Konzentrationslagern verschont blieb, der aber trotzdem als Mensch zweiter Klasse behandelt wurde.

Die Schülersprecher Tina Vasiou und Deniz Zoroglu überreichten Ricardo Laubinger eine Spende für die Sinti Union.
Die Schülersprecher Tina Vasiou und Deniz Zoroglu überreichten Ricardo Laubinger eine Spende für die Sinti Union. © Cornelius Popovici

Auch seine eigenen Erfahrungen ließ Laubinger mit einfließen. Denn nach dem Ende des zweiten Weltkriegs hatten es die Sinti in Deutschland nicht leicht. Einer seiner Lehrer habe ihn blutig geschlagen, weil er ein „Zigeuner“ sei. „Auf Klassenfahrten durfte ich nie dabei sein. Viele Eltern waren dagegen“, erinnert sich Laubinger. Bis heute würde es immer noch genug rassistische Vorurteile gegenüber den Sinti und Roma geben. Deshalb setzt sich Laubinger als Vorsitzender der Sinti Union Hessen für Sinti in ganz Deutschland ein. In dieser Funktion lud ihn zuletzt Bundespräsident Steinmeier zum Neujahrsempfang ins Schloss Bellevue ein, und sowohl Kanzler Scholz als auch Alt-Kanzlerin Merkel lobten sein Engagement.

Gerade nach Halver zu kommen, war für Laubinger dabei eine Herzensangelegenheit. Seine Familie lebte in den 30er-Jahren in der Ortschaft In den Kuhlen: „Ich war vergangenes Jahr dort, und wir wurden herzlichst dort begrüßt.“

Bürgermeister Michael Brosch hob noch einmal hervor, wie wichtig es sei, sich an die Vergangenheit zu erinnern. Die Schulsprecher übergaben Laubinger eine Spende, und Schulleiter Reiner Klausing bedankte sich für den Vortrag. Es wird nicht der letzte Besuch von Laubinger in Halver sein.

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