Holocaust-Gedenktag: Erinnerung an NS-Verbrechen wachhalten
Stand: 27.01.2022 10:09 Uhr
Am Holocaust-Gedenktag hat der Antisemitismusbeauftragte Klein neue Ansätze gefordert, um die Erinnerung an die NS-Verbrechen aufrecht zu erhalten. Sie dürfe nicht in Formeln und Ritualen erstarren. Auch der Bundestag erinnert an die NS-Opfer.
Heute, am 27. Januar, wird an die Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz 1945 und an die Opfer der Nationalsozialisten erinnert, darunter Millionen Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle und politische Gegner des NS-Regimes.
Der Antisemitismus-Beauftragte Felix Klein fordert neue Ansätze, um die Erinnerung an die NS-Verbrechen wach zu halten. "Sie darf nicht in Formeln und Ritualen erstarren, und sie sollte nicht nur den Kopf ansprechen, sondern auch das Herz und die Emotionen", sagte Klein der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. Empathie sei entscheidend in "Zeiten der Verrohung und der Shoa-Relativierungen".
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung Klein: Appelle und mahnende Worte zum Holocaust-Gedenktag Bild: dpa
Klein verurteilte Antisemitismus bei Corona-Protesten scharf. Der Bundesbeauftragte nannte es "extrem und infam", dass einige Teilnehmer von Corona-Demonstrationen sich gelbe Judensterne anheften und so die NS-Verbrechen relativieren. "Das ist die Lust an der Provokation und der Wunsch, damit Aufmerksamkeit zu erzeugen", sagte Klein. Aber das könne man nicht ignorieren. "Es zeigt einen wachsenden Verrohungszustand in unserer Gesellschaft."
Antisemitismus "eine Art klebriger Kitt"Extremisten nutzten die Unzufriedenheit einiger Menschen mit der Corona-Politik aus. Antisemitismus sei "eine Art klebriger Kitt" für die verschiedenen Protestgruppen, von vermeintlich unbedarften Bürgern, über Esoteriker, Verschwörungsanhänger, "Prepper", Reichsbürger bis hin zu Rechtsextremisten. Klein begrüßte, dass Strafverfolgungsbehörden viel konsequenter wegen Volksverhetzung ermitteln, wenn NS-Verbrechen verharmlost würden. Diese monströsen Verbrechen heute gedanklich zu fassen, sei fast unmöglich. "Aber wichtig ist, diese Geschichte anzunehmen, wie eine Art Erbschaft oder Vermächtnis, was aber nicht ausgeschlagen werden kann", sagte Klein.
Jüdinnen und Juden wünschten sich nichts mehr, als in Normalität und Sicherheit zu leben, sagte Klein. Normalität sei aber weit entfernt, wenn vor jüdischen Einrichtungen Polizeischutz zum Alltag gehöre.
Gedenkveranstaltung im BundestagMit einer feierlichen Gedenkstunde erinnert der Bundestag am Vormittag an die Opfer des Nationalsozialismus. Zum Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz werden die Holocaust-Überlebende Inge Auerbacher und der israelische Parlamentspräsident Mickey Levy ans Rednerpult treten. Zu den Teilnehmern der Gedenkveranstaltung gehören traditionell auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesratspräsident Bodo Ramelow (Linke).
Daniel Pokraka, ARD Berlin, tagesschau 12:00 Uhr, 27.1.2022
Vor seinem Auftritt im Bundestag richtete Levy einen Appell an die Gesellschaft: Der Gedenktag führe den Menschen die Zerbrechlichkeit einer demokratischen Lebensweise vor Augen, schreibt er in einem Gastbeitrag für die "Welt". Und: "Lassen Sie sich von niemandem einreden, dass Ihre demokratischen Überzeugungen für schwierige Zeiten unzureichend sind, und lassen Sie sich von schwierigen Zeiten nicht in Ihrem Engagement für die Verteidigung unserer freiheitlichen Demokratien untergraben." Der Holocaust habe das Schicksal von Deutschland und Israel miteinander verbunden, betont der Knesset-Präsident. Beide Staaten erfreuten sich heute eines "einzigartigen Bündnisses, das im amoralischen Realismus der internationalen Beziehungen" selten zu finden sei.
Mehrere bundesweite AktionenAnlässlich des Holocaust-Gedenktages findet überdies die bundesweite Aktion #LichterGegenDunkelheit statt, bei der Gedenk- und Bildungsstätten beleuchtet werden. Die Aktion will ein Zeichen gegen Rassismus und Antisemitismus setzen.
Der Zentralrat der Juden forderte anlässlich des Holocaust-Gedenktages die schnelle Verabschiedung eines Demokratiefördergesetzes. Dies sei nötig, um das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Antisemitismus zu fördern, erklärte der Zentralrat in Berlin. Zudem müssten in allen Bundesländern Antisemitismus-Beauftragte bei den Staatsanwaltschaften eingesetzt werden.