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Horst Köhler: Kein bequemer Präsident

Horst Köhler Kein bequemer Präsident
Schon seine Nominierung war ungewöhnlich, das Ende seiner Amtszeit war es erst recht. Als Bundespräsident mischte sich Horst Köhler oft in die Tagespolitik ein - und machte sich so nicht immer Freunde. Von Barbara Kostolnik.

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Stand: 01.02.2025 14:14 Uhr

Schon seine Nominierung war ungewöhnlich, das Ende seiner Amtszeit war es erst recht. Als Bundespräsident mischte sich Horst Köhler oft in die Tagespolitik ein - und machte sich so nicht immer Freunde.

Barbara Kostolnik

Ein bequemer, leicht zu übersehender Bundespräsident war Horst Köhler nie. Das galt für sein Wirken genauso wie für seinen höchst ungewöhnlichen Schritt am Ende.

Schloss Bellevue, 31. Mai 2010: Horst Köhler tritt mit seiner Frau Eva Luise vor die Kameras. Es folgt ein politischer Paukenschlag. "Ich erkläre hiermit meinen Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten mit sofortiger Wirkung." Es war der erste Rücktritt eines Bundespräsidenten.

Zuvor hatte Köhler in einem Interview auf dem Rückflug aus Afghanistan einen Zusammenhang zwischen den Auslandseinsätzen der Bundeswehr und den Wirtschaftsinteressen Deutschlands hergestellt und war dafür harsch kritisiert worden. Was er wiederum nicht gut fand: "Diese Kritik entbehrt jeder Rechtfertigung. Sie lässt den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen."

Nominierung galt als überraschender Coup

Seine Nominierung sechs Jahre zuvor, von Angela Merkel, Edmund Stoiber und Guido Westerwelle eingefädelt, um eine schwarz-gelbe Koalition vorzubereiten, galt als überraschender Coup. Köhler war damals Geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds - kein Karrierepolitiker, der breiten Öffentlichkeit völlig unbekannt.

Ein Jahr später richteten sich alle Augen auf den Präsidenten: Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte 2005 die Vertrauensfrage verloren - Neuwahlen mussten her, in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit: "Unser Land steht vor gewaltigen Aufgaben. Unsere Zukunft und die unserer Kinder steht auf dem Spiel. Millionen von Menschen sind arbeitslos, viele seit Jahren", sagte Köhler.

Staatssekretär und IWF-Direktor

Geboren wurde Köhler 1943 im von deutschen Truppen besetzten Polen. Nach der Flucht vor der Roten Armee kam die Familie bei Leipzig unter, 1953 verließen die Köhlers die DDR und fanden im schwäbischen Ludwigsburg eine neue Heimat.

Horst Köhler, studierter Wirtschaftswissenschaftler, wurde Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und damit einer der Spitzenbeamten, die die Wirtschafts- und Währungsunion zwischen den beiden deutschen Staaten und die Maastricht-Kriterien für den Euro aushandelten. Als IWF-Direktor hatte er eine Schlüsselfunktion in der globalen Finanzwelt inne.

Mischte sich gerne in Tagespolitik ein

"Das Land hat mir viel gegeben. Ich war ein Flüchtling. Wir hatten kein Geld zu Hause. Ich konnte studieren. Ich habe einen sozialen Aufstieg gemacht. Das Land hat mir Frieden gegeben", sagte Köhler einst über Deutschland.

Diese Karriere nutzte er, um sich oft und gerne in die Tagespolitik einzumischen. Nicht immer machte er sich damit Freunde. So unterzeichnete er zwar ein Luftsicherheitsgesetz, regte aber zugleich an, es vom Verfassungsgericht überprüfen zu lassen: Das Gericht kassierte das Gesetz später wieder, das den Abschuss von Passagiermaschinen im Notfall ermöglichte.

Seine große Liebe galt dem afrikanischen Kontinent. In den sechs Jahren seiner Amtszeit als Bundespräsident besuchte er zwölf afrikanische Länder. Für ihn entschied sich die Menschlichkeit der Welt am Schicksal Afrikas. Mit dem Titel "Afrika-Experte" fremdelte er jedoch - er trage ihn nur mit einem gewissen Widerwillen, erklärte er.

Zu seinem 80. Geburtstag würdigte ihn Amtsnachfolger Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue. Es war eine Ehrung für einen, der sich selbst treu geblieben ist. Und der der Politik viele - auch unbequeme - Fragen gestellt hat.

Barbara Kostolnik, ARD Berlin, tagesschau, 01.02.2025 13:24 Uhr

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