Markus Lanz (ZDF): Ampel-Talk mit Kevin Kühnert - Viel geredet, wenig gesagt
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Im ZDF-Talk von Markus Lanz ist auch Kevin Kühnert zu Gast. Doch der Moderator beißt beim SPD-Politiker auf Granit.
Hamburg – In der ersten Hälfe seines ZDF-Talks befragt Markus Lanz den stellvertretenden SPD-Parteivorsitzenden Kevin Kühnert zum Stand der Ampel-Sondierungen. Erschwert wird ihm das durch Kühnerts vornehme Zurückhaltung in puncto konkreter Aussagen. Der langjährige Juso-Chef beteuert ganz staatstragend, dem Sondierungsteam seiner Partei Vertrauen zu schenken, und ist nach eigener Aussage nicht minutiös über den Verlauf der Gespräche informiert.
Die FAZ-Parlamentskorrespondentin Helene Bubrowski kann derlei Taktieren mit Hintergrundinfos einerseits verstehen, ordnet die Nicht-Aussagen der Beteiligten in eigens einberaumten Pressekonferenzen allerdings als der Ernsthaftigkeit der Lage „unangemessen“ ein. Auch als Lanz mit dieser kommunikativen Munition ausgestattet bei Kühnert nachhakt, gibt der sich weiter uninformiert.
ZDF-Talk: Markus Lanz beißt bei Kevin Kühnert auf GranitDass der für seine nachbohrende Fragetechnik bekannte Moderator Lanz im Gespräch mit Kühnert weitgehend auf Granit beißt, schadet dem Fluss der Sendung erheblich: Die erste Hälfte ist von typischem Polit-Sprech ohne Erkenntnisgewinn dominiert, den der ehemals wilde Juso Kühnert inzwischen perfekt beherrscht.
Auch der dramaturgische Kniff, dass Lanz seinen Gast mit potentiell kontroversen Ausschnitten aus der aktuellen NDR-Dokuserie über Kühnerts politische Arbeit der vergangenen drei Jahre aus der Reserve locken will, perlt weitgehend ab. So fühlt sich Kühnert zwar offenbar geschmeichelt, als er von Lanz als „Großhirn der SPD“ bezeichnet wird, hält aber mit greifbaren Aussagen hinter dem Berg. So enden die als Gesprächsvorlage gemeinten Doku-Ausschnitte unterm Strich als ÖRR-interne Werbung.
Markus Lanz und Kevin Kühnert im ZDF-Talk: Viel geredet, wenig gesagtNach dem zähen Ampel-Talk mit Kevin Kühnert will Lanz noch darüber sprechen, wie Politikerinnen und Politiker es schaffen, gestern noch zum Unding erklärte „Narrative“ im Nachgang zur richtigen Lösung umzudeuten. Als Kühnert seine mitgefilmte Freude über die Niederlage von Olaf Scholz bei der Stichwahl zum SPD-Vorstand kommentieren soll, zäumt der Stratege das Pferd von hinten auf und deutet den Jubel über das (inzwischen pikanterweise überkommene) Scholz-Aus zur Freude über den Sieg von Walter Borjans und Saskia Esken im Vorstandsrennen um.
Bubrowski gießt Kühnert Wasser in den Wein, was diesen allerdings nicht beirrt. Immerhin gesteht Kühnert ein, dass von ihm und den Jusos „mitunter ungerecht“ mit Scholz umgegangen wurde. „Bereut man das?“ fragt Lanz und erntet einen Larifari-Hinweis darauf, dass alte Animositäten vom Tisch seien. Ob der „mutmaßliche Kanzler“ (Bubrowski) Scholz das ebenfalls so sieht, bleibt abzuwarten. Als Fazit unter dem Lanz-Talk mit Kühnert kann stehen, dass viel geredet und wenig gesagt wurde – auch wenn es vom Ansatz her um Grundfragen der politischen Auseinandersetzung ging, die durchaus besprechenswert gewesen wären.
Die Gäste bei Markus Lanz (14.10.2021)
Im zweiten Teil der ZDF-Sendung von Markus Lanz geht es um die politisch und humanitär prekäre Lage in Afghanistan und darum, wie Deutschland und Europa konkret auf die Misere reagieren sollen. Der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Bijan Djir-Sarai erinnert daran, dass er seit längerem eine „Exit-Strategie“ für Afghanistan fordert, die allerdings nie angegangen worden sei.
Den Krieg sieht er als „politisch verloren“ und hofft darauf, dass die Fehler und Folgen des Einsatzes von der künftigen Bundesregierung eruiert werden. Bei der Frage nach der SPD-Position zur Anschaffung von europäischen Drohnen für den Kriegseinsatz, die den Rückzug der USA von der weltpolitischen Bühne kompensieren sollen, verteidigt Kevin Kühnert in einem Plädoyer die Dauer der Entscheidungsfindung seiner Partei – eine klare Meinung bleibt aus.
ZDF-Talk Markus Lanz: Desaströse Zustände in AfghanistanAls Mann aus der Praxis berichtet der bei „Ärzte ohne Grenzen“ engagierte Internist Tankred Stöbe von den desaströsen gesundheitlichen Zuständen in Afghanistan, die er im September vor Ort miterlebte. Stöbe erhofft sich „schnelle Antworten“ seitens der Politik, die Not der afghanischen Bevölkerung zu lindern. Ein ehrbares Vorhaben, das durch die realpolitische Zwickmühle verkompliziert wird. Der FDP-Politiker Bijan Djir-Sarai benennt es ganz unverblümt als Problem, dass die Taliban die neuen Machthaber sind – und lehnt deren politische Anerkennung ab. Gespräche müssten rein auf Hilfsleistungen forciert sein, wobei es entscheidend sei, was mit den Hilfsgeldern konkret passiert.
Auch Stöbe sieht die Mittelverwendung bisher als zu wenig kontrolliert, verweist aber zugleich auf die „Dringlichkeit“ der Lage und vermisst „unmittelbare Effekte“. Die Journalistin Helene Bubrowski analysiert, dass der Wille der deutschen Regierung nach einem Erfolg am Hindukusch zu groß gewesen sei, um Misserfolge klar zu benennen. „Schmerzhafte Ehrlichkeiten werden auf den Tisch kommen müssen,“ meint Bubrowski, hegt aber Zweifel daran, ob die neue Bundesregierung eine kritische Betrachtung wirklich angeht.
Sehr wahrscheinlich steht die geforderte Rückschau in weiteren Lanz-Sendungen zur Debatte; und vielleicht kommt der Talk mit den dazu geladenen Politikern dann sogar über Gemeinplätze hinaus. (Christian Horn)