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Lörrach: Mieter sollen ausziehen – für Geflüchtete aus der Ukraine

Lörrach Mieter sollen ausziehen  für Geflüchtete aus der Ukraine
Rund 40 Menschen sollen in Lörrach ihre Wohnungen verlassen, damit dort Geflüchtete einziehen können. Die Stadtverwaltung versucht, die Empörung zu lindern.
Lörrach Mieter sollen Wohnungen für Geflüchtete verlassen – was Stadt und Vermieter zur Aufregung sagen

Luftbild von Lörrach in Baden-Württemberg

© Erich Meyer / Zoonar / Imago Images

Daniel Wüstenberg
von Daniel Wüstenberg
21.02.2023, 13:12 3 Min.

Im baden-württembergischen Lörrach sollen rund 40 Menschen ihre Wohnungen verlassen, damit dort Geflüchtete einziehen können. Die Empörung ist groß, Stadtverwaltung und Wohnungsbaugesellschaft versuchen zu beruhigen.

Es geht um eine Häuserzeile, drei Stockwerke, fünf Eingänge, sanierungsbedürftig. Bauten, entstanden in der Wohnungsnot Nachkriegszeit, wie es sie zu Tausenden gibt in Deutschland, unspektakulär. Eigentlich. Denn diese Häuserzeile erregt seit einigen Tagen die Gemüter in Lörrach, am südwestlichsten Zipfel Baden-Württembergs an der Grenze zur Schweiz.

Die Aufregung beginnt, als erste Fotos eines Schreibens der Städtischen Wohnbaugesellschaft Lörrach mbh – kurz: Wohnbau Lörrach – an die Mieter der Wölblinstraße 21 bis 29 in den sozialen Netzwerken die Runde machen, datiert auf den 15. Februar 2023. Eine Einladung zur Mieterversammlung. Und eine Ankündigung, die es in sich hat: "Auch die Stadt Lörrach und der Landkreis sind zur Unterbringung von Flüchtlingen verpflichtet", heißt es darin. Besonders dafür geeignet ist laut Wohnbau Lörrach: "unser Liegenschaft Wölblinstraße 21 bis 29". "Für Sie bedeutet das, dass wir in Kürze das mit Ihnen vereinbarte Mietverhältnis kündigen werden."

Mieter in Lörrach sollen für Flüchtlinge weichen

Kann das wirklich wahr sein? Mieter müssen aus ihren Wohnungen ausziehen, damit dort Geflüchtete untergebracht werden können? In den sozialen Netzwerken tobt ein Sturm der Entrüstung, auch justiziable Äußerungen fallen. Es stellt sich heraus: Das Schreiben ist echt. Die Information, dass die Bewohner des Mehrfamilienhauses umziehen müssen, "trifft zu", teilt die Wohnbau Lörrach am Montag schmallippig mit – und verweist für weiter Informationen an die Stadtverwaltung.

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Das Rathaus der Kreisstadt mit ihren knapp 50.000 Einwohnern liegt nur rund 700 Meter Luftlinie von der Wölblinstraße entfernt. 17 Stockwerke, erbaut in den 1970ern, ebenfalls sanierungsbedürftig. Dort nimmt man ausführlicher Stellung zu dem geplanten Vorhaben. Jörg Lutz ist seit 2014 der Herr im Rathaus – und als Oberbürgermeister zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der städtischen Wohnungsbaugesellschaft.

Man stehe "vor großen Herausforderungen", erklärt der parteilose OB. "Wir danken der Wohnbau Lörrach für die Kooperation und die Möglichkeit den Wohnkomplex in der Wölblinstraße für die Unterbringung zu nutzen". Wohnraum ist knapp, auch in Lörrach. Nach Angaben aus dem Rathaus muss die Stadt in diesem Jahr voraussichtlich 356 geflüchtete Menschen unterbringen, nach 638 im Vorjahr.

Gebäude sollen ohnehin abgerissen werden

Etwa 100 Menschen könnten in den freiwerdenden Wohnungen untergebracht werden – bis zum Jahresende sollen die bisherigen Mieter ausziehen. "Die Wohnungen helfen uns sehr, die ankommenden Menschen in der Stadt mit Wohnraum zu versorgen und somit unserer städtischen Aufgabe nachzukommen." Politische Gremien wie der Ausschuss für Umwelt und Technik und der Hauptausschuss haben den Angaben zufolge dem Plan zugestimmt.

Die Stadtverwaltung versucht, in der aufgeheizten Debatte die Gemüter zu beruhigen. Die Wohnungen seien "am Ende ihres Lebenszyklusses". Der Abriss und ein Neubau seien ohnehin "für die nächsten Jahre vorgesehen".

Für die rund 40 Menschen aus der Wölbinstraße 21 bis 29 dürfte es einen Unterschied machen, ob sie in den "nächsten Jahren" oder "in Kürze" ihre Wohnungen verlassen müssen. Wohnbau Lörrach und die Stadt versprechen jedoch, ihnen "zeitnah modernere und bezahlbare Wohnraumangebote entsprechend der persönlichen Situation" zu unterbreiten und sie beim Umzug zu unterstützen, "logistisch und finanziell". "Wir (...) werden für jeden Einzelnen eine individuelle und gute Löslung finden", ist sich Wohnbau-Chef Thomas Nostadt sicher. "Niemand landet auf der Straße", sagt er der Lokalzeitung "Die Oberbadische". Er beklagt eine "politische Instrumentalisierung" des Vorhabens. Bereits in der Vergangenheit seien in Lörrach alte Wohnungen zur Flüchtlingsunterbringung geräumt worden – mit ihren neuen Wohnungen seien die Bewohner zufriedener als mit der vorherigen.

"Ein Steilpass für die AfD"

Doch das Unverständnis über die Entscheidung hält an, nicht nur in den sozialen Netzwerken. "Die Wohnbau und die Stadt Lörrach haben bei der Räumung von Häusern die Brisanz unterschätzt", kommentiert die "Badische Zeitung". "Ein Steilpass für die AfD", meint die "Basler Zeitung" aus der benachbarten Schweizer Großstadt.

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Klar ist aber: Jeder Mieter kann sich auch juristisch gegen den Rauswurf wehren – dann müssten die Gericht entscheiden. Der baden-württembergische Landesvorsitzende des Deutschen Mieterbunds, Rolf Gaßmann, hat seine Zweifel, dass die Wohnbau Lörrach mit den Kündigungen durchkäme: "Die Unterbringung von Flüchtlingen ist laut Mietrecht kein Kündigungsgrund. Ein dummdreistes Schreiben von der Wohnbaugesellschaft, das leider nur die Stimmung gegen Flüchtlinge anheizt", sagt er der "Bild"-Zeitung.

Was die Betroffenen zu den Plänen von Stadt und Wohnbau Lörrach sagen, wird sich in der kommenden Woche zeigen. Am Montag um 17 Uhr soll die Bewohnerversammlung stattfinden. Man bitte "dringend um Ihre Teilnahme", heißt es in der Einladung.

Quellen: Wohnbau Lörrach, Stadt Lörrach, "Die Oberbadische", "Badische Zeitung", "Basler Zeitung", "Bild-Zeitung"

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