Seit Monaten war Mick Schumacher beim US-Rennstall Haas angezählt, sein Teamchef boykottierte sogar Interviews. Die Schuld liegt nicht allein beim Fahrer.
Aus beim Formel-1-Team Haas
Was ist schiefgelaufen bei Mick Schumacher?
Seit Monaten war Mick Schumacher beim US-Rennstall Haas angezählt, sein Teamchef boykottierte sogar Interviews. Die Schuld liegt nicht allein beim Fahrer.
Von
Nina Golombek
17.11.2022, 10.50 Uhr
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Wer Formel 1 fährt und Schumacher heißt, steht automatisch im Fokus. Mick Schumacher sei gar der am meisten unter Beobachtung stehende Rookie, den die Rennserie seit Jahrzehnten gesehen habe. Er trage das Gewicht einer Aufmerksamkeit, die der eines Weltmeisters gleichkomme. Das schrieb der britische »Guardian« im vergangenen Jahr, kurz bevor Mick Schumacher im Haas seine Formel-1-Karriere begann.
Rund eineinhalb Jahre später ist der Sohn von Rekordweltmeister Michael Schumacher sein Cockpit in der Formel 1 wieder los.
Schumacher gehe gut mit dem »gewaltigen Druck« um, sei resilient und freundlich, attestierte der »Guardian« damals – und im Grunde hat sich daran auch nichts geändert. Seit Monaten ist der 23-Jährige angezählt, muss auf und neben der Strecke kämpfen. Zu Patzigkeit ließ er sich dennoch nicht hinreißen. Schumacher blieb geduldig, ruhig, erledigte seinen Job, mal besser, mal schlechter.
Doch rund um den jungen Fahrer war es nicht ruhig geblieben in dessen zweitem Formel-1-Jahr. Dazu trug sein Rennstall bei, aber auch sein eigenes Umfeld. Schumacher selbst leistete sich gewiss zu viele fahrerische Fehler, der mit seinem Namen verbundene Erfolgsdruck erschwerte die Situation zusätzlich.
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Die Chronologie der Saison sprach gegen Schumacher. Er bekam mit Kevin Magnussen einen neuen Teamkollegen, für den vor allem die Erfahrung sprach. Der Däne, Nachfolger des viel kritisierten Russen Nikita Masepin, holte in den ersten beiden Saisonrennen zwölf WM-Punkte. Haas forderte auch von Schumacher Punkte – und kritisierte ihn für die Unfälle, mit denen er das Budget des kleinen Rennstalls strapaziere.
»Wieder eine halbe Million Euro Schrott«, hatte sich Teamchef Günther Steiner in Suzuka aufgeregt, als Schumacher seinen Haas im Training auf dem Weg in die Box zerlegte. Auch Besitzer Gene Haas schaltete sich ein.
In der zweiten Saisonhälfte hatte sich Schumacher gesteigert, vergleicht man die blanken Zahlen teamintern, steht es bei besseren Rennergebnissen 12:8 – für Schumacher. Magnussen hat dabei allerdings knapp doppelt so viele WM-Punkte gesammelt, und das ist die entscheidende Währung in der Formel 1.
Das Team machte auch Fehler. Beim Rennen in Suzuka verkorkste Haas die Reifenstrategie, Schumacher wurde durchgereicht. Haas war zudem der letzte Rennstall, der wichtige Updates einbaute.
Doch vielleicht war all das zum Schluss gar nicht mehr relevant.
Spätestens seit Steiners Sky-Interview im Sommer war äußerst fraglich, ob es zwischen Haas und Schumacher noch eine produktive Zusammenarbeit über die verbleibende Vertragslaufzeit hinaus würde geben können.
Der Teamchef warf darin einigen Medien vor, das Team zu spalten, »Unruhe« von außen hereinzubringen. »Für zehn Leute, die Mick loben, kommen zehn, die das Gegenteil sagen«, sagte er. Auf die Frage des Sky-Moderators, ob Schumacher denn schlecht sei, entgegnete Steiner: »Das weiß ich nicht. Ich sage nur, was die öffentliche Meinung ist.«
Die Freunde Mick Schumacher (vorn) und Sebastian Vettel bei der Fahrerparade in Brasilien: Beide werden in der kommenden Saison im Startfeld fehlen
Foto:
RICARDO MORAES / REUTERS
Haas zögert die Entscheidung heraus
Steiner, der nicht zuletzt durch die Netflix-Serie »Drive to Survive« für seine offene, manchmal schroffe Art der Kommunikation bekannt ist, hat Sky Deutschland danach keine Interviews mehr gegeben. Dafür waren in anderen Medien Zwischenstände zu den Vertragsverhandlungen zu lesen oder zu hören. Nun hat es bis kurz vor dem letzten Saisonrennen in Abu Dhabi gedauert, warum genau, ist schwer nachvollziehbar.
Wenn sich Teamchefs oder gleich ganze Rennställe (wie zuletzt Red Bull) den Fragen eines Senders verweigern, ist das keine gute Tendenz. Man kann es unprofessionell nennen. Steiner erweckte durch das monatelange Anzählen und das Hinausschieben der Entscheidung gleichzeitig den Eindruck, die auf der einen Seite kritisierte Medienöffentlichkeit bloß nicht verlieren zu wollen. Beide Punkte muss er sich ankreiden lassen.
Auf der anderen Seite kommentiert bei Sky Deutschland Ralf Schumacher als Experte die Rennen, dieser nutzt seine Reichweite auch dafür, um seinen Neffen zu verteidigen. Er kritisierte Steiners Führungsstil öffentlich gegenüber F1-Insider.com als nicht mehr zeitgemäß, verglich ihn mit jenem von Frank Williams, dem er »Psychospielchen« vorwarf. Er deutete an, dass sich sein Neffe unter einem anderen Teamchef, wie etwa Andreas Seidl (McLaren) oder Franz Tost (Alpha Tauri), besser hätte entwickeln können.
Günther Steiner umarmt Mick Schumacher in São Paulo
Foto:
IMAGO/Andy Hone / IMAGO/Motorsport Images
Genug geknuddelt?
Im Sky-Interview gibt es eine Stelle, in der Steiner gefragt wird, ob dieser Schumacher auch mal »in den Arm nehme«, Steiner versteht nicht richtig. Der Moderator führt aus, es gehe ihm um »ein bisschen Emotionalität, ein bisschen Nestwärme«. Die »brauche doch jeder junge Mensch«. Steiner empfindet das als übergriffig, »ich brauche keine Beratung«, entgegnet er.
Gegenüber Sport1 gab der 57-jährige Südtiroler an, dass derartige »Nebengeräusche« keine Rolle spielten, das habe »ja nichts mit Mick zu tun«. Bei Haas hat man sich nun dennoch für den 35-jährigen Nico Hülkenberg entschieden. Die Formel 1 fährt also auch im kommenden Jahr zumindest mit einem deutschen Piloten.
Hülkenberg, derzeit noch Ersatzfahrer bei Aston Martin, hat 181 Starts Erfahrung, kein Podium. Zu Saisonbeginn sprang er in zwei Rennen für den mit Corona infizierten Sebastian Vettel ein. Dass er eine gesamte Saison absolviert hat, ist allerdings schon länger her: 2019 fuhr Hülkenberg für Renault.
Mick Schumacher und Nico Hülkenberg 2016 am Hockenheimring
Foto:
imago sportfotodienst / imago/Crash Media Group
Die Fahrerpaarung aus dem 30-jährigen Magnussen und Hülkenberg ist keine Aufstellung für die Zukunft, doch Steiner ließ zuletzt durchblicken, dass er nach den Erfahrungen mit Masepin und Schumacher keine gesteigerte Lust mehr auf Nachwuchsfahrer hat. »Diese Lektion habe ich gelernt. Wenn du ein stabiles und erwachsenes Team hast, kannst du einen Rookie holen und dich auf ihn konzentrieren. Aber wenn du ein so junges Team wie unseres hast, gibt es mehr zu gewinnen, wenn du das Team und nicht den Fahrer besser machst«, sagte er .
Zuletzt konnte man in Brasilien den ersten Sieg im Qualifying ausgelassen feiern – eingefahren von Magnussen.
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Finanziell war der US-Rennstall unabhängig bei der Pilotenwahl. Durch den neuen Sponsor, den Finanzdienstleister MoneyGram, könne laut »Bild« und »Auto Motor Sport« erstmals der Budgetdeckel ausgereizt werden.Schumacher hat zwar Kosten verursacht, sein Name ist allerdings auch Geld wert. Laut »Bild« erwägen einige Sponsoren, das Team nun zu verlassen.
Was wird aus Schumacher?
Für Schumacher selbst problematisch ist ohnehin weniger, dass sein Vertrag bei Haas ausläuft, sondern dass kein anderer Rennstall zugegriffen hat.
Eine theoretische Chance auf ein Stammcockpit in der nächsten Saison bleibt ihm sogar noch: Der US-amerikanische Formel-2-Pilot Logan Sargeant, bei Williams als zweiter Pilot vorgesehen, muss beim Saisonfinale in Abu Dhabi noch fehlende Punkte für die Superlizenz, den Formel-1-Führerschein, einfahren. Dass er das schafft, gilt als wahrscheinlich.
Zuletzt schien sich eine neue Möglichkeit aufzutun: Mercedes sucht noch einen Reservefahrer. Der Australier Daniel Ricciardo, der sein Cockpit bei McLaren verloren hat, soll »Auto Motor Sport« zufolge sowohl beim Rennstall des siebenfachen Champions Lewis Hamilton als auch bei Red Bull auf der Liste stehen. Ginge er zum Weltmeisterteam um Max Verstappen (seinem früheren Arbeitgeber), wäre der Platz bei Mercedes frei.
Für die kommenden Jahre könnte auch Audi eine Option sein. Die VW-Tochter steigt 2026 mit dem Rennstall Sauber in die Formel 1 ein und hat sich bereits für einen deutschen Fahrer ausgesprochen. Dann dürfte sich Schumacher aber wohl nicht zu eng an Mercedes binden. Gleichzeitig kann er nicht riskieren, seine Entwicklung zu unterbrechen, will er in der Königsklasse des Motorsports bleiben.
Daran ließ er am Donnerstag keinen Zweifel. »Es war manchmal holprig, aber ich habe mich stetig verbessert, viel gelernt und weiß jetzt sicher, dass ich einen Platz in der Formel 1 verdiene«, wird Schumacher bei Twitter zitiert . Das Thema sei für ihn »alles andere als abgeschlossen«.
Nun muss er nur noch jemanden finden, der mit ihm daran glaubt.
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