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Wiedereröffnung von Notre-Dame: Mit Trump, ohne den Papst

Wiedereröffnung von NotreDame Mit Trump ohne den Papst
An diesem Samstag wird Notre-Dame wiedereröffnet – fünf Jahre nach dem Brand. Macron hat sein Versprechen gehalten. Doch bisher danken die Franzosen es ihm nicht.

Bei der letzten Baustellenbesichtigung klingt Emmanuel Macron fast überschwänglich. „Sie haben das Unmögliche möglich gemacht“ sagt der französische Präsident. Vor ihm haben sich 1300 Menschen versammelt, die alle zum Wiederaufbau von Notre-Dame beigetragen haben. „Es ist sehr bewegend, hier zu stehen, wo vor fünf Jahren ein wahres Trümmerfeld war“, sagt er und lobt die Arbeit der insgesamt 2000 Handwerker: „Sie haben Kohle in Kunst verwandelt!“

Sieben Mal hat Macron seit dem verheerenden Brand am 15. April 2019 die Kathedrale im Herzen von Paris besucht und jetzt, so kurz vor der Wiedereröffnung an diesem Samstag, sieht es im Inneren gar nicht mehr nach Baustelle aus.

Die Kathedrale ist ein Fest des Lichts und der Farben. Die Steine an Pfeilern, Arkaden, Bögen und Seitenwänden erstrahlen in hellem Weiß, während die restaurierten Kapellen mit einer ungeahnten Farbenpracht überraschen. Sonnenstrahlen werfen ein bläuliches Licht durch die große Fensterrose.

Es fehlt nur die unverwechselbare Mischung aus Kerzenduft und Weihrauch, die Gotteshäuser mit Leben erfüllt: Noch hat Notre-Dame de Paris den olfaktorischen Charme eines Neubaus vor der Schlüsselübergabe.

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Macron genießt den Rundgang sichtlich

Noch in der Nacht des Brands, dessen Ursache wohl nie gänzlich geklärt werden wird, versprach Macron, Notre-Dame innerhalb von fünf Jahren wieder aufzubauen – „schöner als zuvor“. Seither wollte ihm vieles nicht recht gelingen.

Bei vielen Franzosen, die ihm 2022 in den Präsidentenwahlen noch einmal ihre Stimme gaben, ist er in Ungnade gefallen. Nun haben die Linksparteien im Schulterschluss mit Marine Le Pens Rechtspopulisten auch noch die Minderheitsregierung gestürzt, die er erst vor drei Monaten nach etlichen Mühen berufen hatte. Doch sein Versprechen hat Macron gehalten.

Wohl auch deshalb genießt der 46 Jahre alte Präsident den Rundgang sichtlich. „O, wie schön“, schwärmt er. Den neuen Altar findet er „erhaben“. Als er den aus 2000 Eichen neu errichteten Dachstuhl besichtigt, spricht der dafür verantwortliche Architekt Rémi Fromont vom Zeitdruck, der auf den Zimmermännern lastete.

Das galt auch für andere Handwerker und Restauratoren, die oftmals Nacht- und Wochenendschichten einlegten, um rechtzeitig fertig zu werden – eine Folge von Macrons Versprechen. „Letztendlich war es gut, dass wir eine knappe Frist einhalten mussten“, sagt Architekt Fromont.

Im Herzen der Kathedrale:
  Tabernakel von Guillaume Bardet
Im Herzen der Kathedrale: Tabernakel von Guillaume BardetAFP

Die Kathedrale von Paris und ihr Bischofssitz waren schon immer nicht nur ein Ort religiöser Einkehr, sondern auch ein Schauplatz politischer Repräsentation von Kirche und Staat – bis heute. So schreibt es der Historiker und Gründungsdirektor des Deutschen Forums für Kunstgeschichte in Paris, Thomas Gaehtgens, in seinem Standardwerk über ­Notre-Dame.

Macron steht in dieser Tradition und ist bestrebt, die Wiedereröffnung als diplomatisches Großereignis zu begehen. Er freute sich, nach den schlechten Nachrichten zu Haushaltslöchern und Schuldenbergen endlich eine auch buchhalterisch positive Bilanz vorweisen zu können. Von den 846 Millionen Euro Spendengeldern sind „nur“ 700 Millionen aufgebraucht. Aber die Franzosen haben ihm diese Leistung bislang nicht angerechnet.

In der kollektiven Erinnerung ist die Kaiserkrönung Napoleons I. am 2. Dezember 1804 in der Kathedrale noch wach. Generationen von Schulkindern haben sich in ihren Geschichtsbüchern mit dem Gemälde Jacques-Louis Davids vertraut gemacht, das dieser nicht ganz tatsachengetreu von der Krönungszeremonie malte.

Macron musste sich umgehend der Kritik erwehren, er wolle wie Napoleon von der Kathedrale Besitz ergreifen. Seine Rede findet deshalb unter einem Zeltdach auf dem Vorplatz von Notre-Dame statt. Die angekündigten heftigen Windböen bereiten dem Protokoll schon jetzt Kopfschmerzen. Staats- und Regierungschefs und gekrönte Häupter sollen nicht wieder wie bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Sommerspiele im Regen stehen.

Im April 2019:
  Das Dach von  Notre-Dame steht  in Flammen.
Im April 2019: Das Dach von Notre-Dame steht in Flammen.AFP

In die Kathedrale dürfen die hohen Gäste aber erst nach der Rede, so will es die Trennung von Kirche und Staat, die seit 1905 gesetzlich geregelt ist. Die Kathedrale ist zwar Eigentum des Staates, und der Staat ist zu ihrer Instandhaltung verpflichtet. Die Kirche aber hat das Hausrecht.

Der Kaiser hatte seinerzeit Papst Pius VII. zur Teilnahme an seiner Feier in der Kathedrale verpflichtet. Der Heilige Vater musste tatenlos zusehen, wie sich Napoleon selbst krönte. Papst Franziskus schlug die Einladung Macrons nach ­Notre-Dame rundweg aus und kündigte an, am 15. Dezember lieber zu einer Konferenz auf die Mittelmeerinsel Korsika zu reisen. Eine Begegnung mit Macron soll nur zum Abschluss und kurz am Flughafen von Ajaccio stattfinden.

Das Verhältnis ist nicht frei von Irritationen. Im Élysée-Palast hat man nicht vergessen, dass der Papst sich weigerte, im Wahlkampfduell zwischen Marine Le Pen und Macron Position zu beziehen, und sagte, dass er „nicht wisse, woher Macron kommt“.

Nach dem Brand erneuert:
  Blick auf eine  Holzsäule im  Inneren der  Kathedrale
Nach dem Brand erneuert: Blick auf eine Holzsäule im Inneren der KathedraleEPA

Macron hat in seiner Heimatstadt Amiens eine Jesuitenschule besucht und sich im Alter von zwölf Jahren auf eigenen Wunsch taufen lassen. Er sagte einmal, dass „dies der Beginn einer mystischen Periode war, die mehrere Jahre dauerte“. Danach habe er sich von der Religion entfernt. „Ich denke ständig über die Natur meines eigenen Glaubens nach, aber ich habe genug Demut, um nicht zu behaupten, dass ich mit Gott spreche“, sagte er dem katholischen Magazin „La Vie“.

In Amerika hatte der französische Präsident mit seiner Einladung mehr Erfolg als im Vatikan. Der amerikanische Präsident Joe Biden schickt seine Ehefrau Jill nach Paris. Donald Trump, der sich in der Brandnacht besonders betroffen äußerte, kommt ebenfalls zur Eröffnungsfeier. Seiner Empfehlung, doch Löschflugzeuge einzusetzen, um den Brand zu löschen, war die Pariser Feuerwehr allerdings nicht gefolgt. Das Gewölbe hätten den Wassermassen von oben nicht standgehalten, so die Überzeugung der Denkmalpfleger.

In Amerika zeigten die Bilder des Verfalls Wirkung

Das amerikanische Interesse an ­Notre-Dame reicht weiter zurück als der Brand. Andrew Tallon, Professor für Kunstgeschichte, überzeugte den damaligen Erzbischof von Paris, André Vingt-Trois, in Amerika um Spenden für die Instandhaltung der Kathedrale zu werben.

Tallon hatte begonnen, die Kathe­drale mit einem Laserscanner zu vermessen, und war schockiert über den schlechten Zustand. Er fotografierte die losen Steine und herabgefallenen Wasserspeier und Chimären, die hinter der Ostfassade der Kathedrale aufbewahrt wurden. Über die jahrelange Nachlässigkeit und den chronischen Mittelmangel wird in Paris tunlichst geschwiegen. Eine Bilanz der Versäumnisse ist nicht gezogen worden.

Vorbereitungen auf den großen Tag: Vor der Wiedereröffnung werden Absperrungen um Notre-Dame errichtet.
Vorbereitungen auf den großen Tag: Vor der Wiedereröffnung werden Absperrungen um Notre-Dame errichtet.AFP

Die Bilder des Verfalls zeigten aber schon vor dem Brand in Amerika Wirkung. Ein Mitstreiter Tallons, der Franzose Michel Picaud, warb vor vermögenden Amerikanern bei einer Veranstaltung im April 2018 im Auktionshaus Christie’s in New York. Vom Erfolg wurden die Initiatoren überrascht. Es ging sofort eine Spende in Höhe von einer Million Dollar ein.

Der Verein „Friends of Notre-Dame de Paris“ wurde gegründet und brachte innerhalb eines Jahres insgesamt 700 Großspender zusammen, die mehr als zwei Millionen Dollar für die Kathedrale sammelten. Das entsprach der jährlichen Finanzierung durch den französischen Staat für das Gotteshaus.

Tallons Arbeit war aber auch für den Wiederaufbau von unschätzbarem Wert. Bei seinem Tod infolge eines Gehirntumors 2018 hinterließ Tallon riesige Datenmengen, die beim Wiederaufbau benutzt wurden. Er hatte die Kathe­drale auf fünf Millimeter genau vermessen.

Vor Handwerkern und Helfern: Macron hält Ende November eine Rede in der restaurierten Kathedrale.
Vor Handwerkern und Helfern: Macron hält Ende November eine Rede in der restaurierten Kathedrale.Reuters

„Es gibt in Amerika nicht nur unter Katholiken eine sehr alte Verbundenheit mit Notre-Dame“, sagt der Präsident von „Friends of Notre Dame“, Picaud. Die Hollywood-Verfilmungen des Romans von Victor Hugo wie auch Walt Disneys Zeichentrickfilm „Der Glöckner von Notre Dame“ haben zu dieser besonderen Beziehung beigetragen. In der Nacht des Brands richtete die 1982 gegründete French Heritage Society, eine amerikanische Vereinigung zur Unterstützung des französischen Kulturerbes, einen Fonds für Notre-Dame ein.

340.000 Spender aus 150 Ländern

Insgesamt 2,6 Millionen Euro wurden von der Stiftung gesammelt. „Friends of Notre-Dame“ hat 55 Millionen Dollar an Spenden zur Verfügung gestellt. Etwa die Hälfte der ausländischen Spenden für den Wiederaufbau stammt aus den Vereinigten Staaten. Insgesamt 846 Millionen Euro flossen in die Kasse von „Rebâtir Notre-Dame de Paris“, der öffentlichen Gesellschaft, die für die Restaurierung der Kathedrale zuständig ist. 340.000 Spender aus 150 Ländern trugen bei.

Es ist das Verdienst des ehemaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU), dass auch ein deutscher Beitrag für den Wiederaufbau für alle Besucher sichtbar ist. Die Spendenaktion „NRW für Notre-Dame“ brachte annähernd eine halbe Million Euro ein. Vier große Bleiglasfenster von Jacques Le Chevallier wurden in der Kölner Dombauhütte restauriert. Sie haben ihren angestammten Platz im oberen Teil des Langhauses wieder eingenommen und leuchten in neuer Farbenpracht.

In Köln: Die wissenschaftliche Leiterin der Glaserei in der Dombauhütte arbeitet an einem Kirchenfenster von Notre-Dame.
In Köln: Die wissenschaftliche Leiterin der Glaserei in der Dombauhütte arbeitet an einem Kirchenfenster von Notre-Dame.dpa

Laschet erinnert daran, dass es für Frankreich alles andere als selbstverständlich ist, wichtige Kulturgüter im Ausland restaurieren zu lassen. Die deutsch-französische Zusammenarbeit zugunsten der Fensterrestaurierung war tatsächlich einzigartig und stellt für Laschet einen besonderen Vertrauensbeweis dar.

Der Wiederaufbau innerhalb von fünf Jahren sei „eine sensationelle Leistung“, sagt Laschet. Und Macron betonte vor den Handwerkern: „Notre-Dame ist die Seele unseres Landes, sie gehört den Christen, aber auch allen Franzosen und der ganzen Welt.“

Erzbischof Laurent Ulrich erhofft sich von der Wiedereröffnung, dass „die Menschen wieder zusammenfinden“. Am Samstag wird die dicke Emmanuel erklingen, die älteste und schwerste Glocke der Kathedrale. Sie hängt seit 1685 im Südturm, ist 13 Tonnen schwer und läutet nur bei sehr hohen Festen. Nacheinander wird die Orgel wieder „erweckt“, der Altar geweiht und die Kathedrale ihrer eigentlichen Bestimmung zurückgeführt.

Macron will sich nicht beirren lassen

Ulrich äußerte die Hoffnung auf einen Neuanfang. Die katholische Kirche in Frankreich steckt weiter tief im Sumpf der sexuellen Missbrauchsfälle. Nach ersten breit angelegten Aufklärungsversuchen musste die Bischofskonferenz eingestehen, dass ihr schon länger Hinweise zu elf größtenteils nicht mehr aktiven Bischöfen vorliegen.

Der Kirchenhistoriker Guillaume Cuchet spricht von einem Bruch in der französischen Gesellschaft. Fast alle jüngeren Franzosen hätten sich von der Bindung an die katholische Kirche gelöst. 1965 wurden 94 Prozent der Neugeborenen katholisch getauft, heute sind es noch etwa 30 Prozent. Die Zahl der Katholiken, die sonntags regelmäßig zur Messe gehen, ist von 30 auf zwei bis drei Prozent gefallen.

In der Mitte des 20. Jahrhunderts wurden etwa 1500 Männer jährlich zu Priestern geweiht, inzwischen sind es nur etwa 80 bis 100. Der Skandal um sexuellen Missbrauch habe das Phänomen verstärkt, so Cuchet, aber nicht ausgelöst.

Wenige Tage vor der Neueröffnung: Auf dem Vorplatz von Notre-Dame wird für die Eröffnungsreden ein Zeltdach aufgebaut.
Wenige Tage vor der Neueröffnung: Auf dem Vorplatz von Notre-Dame wird für die Eröffnungsreden ein Zeltdach aufgebaut.Reuters

„Unsere Zeitgenossen müssen, ob sie nun glauben oder nicht, von einer anderen Perspektive auf den Menschen als der materiellen hören“, hatte Macron in einer vielbeachteten Rede 2018 vor der Bischofskonferenz betont. Bei einer ­anderen Gelegenheit sprach er vom „Bedürfnis des Menschen nach dem Absoluten“.

Dem Wunsch Erzbischofs Ulrich, in der Kathedrale sechs Glasfenster aus dem 19. Jahrhundert im Südschiff durch zeitgenössische zu ersetzen und damit ein Signal der Erneuerung zu hinterlassen, will er entsprechen. Ein Wettbewerb für Künstler ist ausgeschrieben. Aber die Initiative stößt auf heftigen Widerstand. Präsident Macron würde mit seinem Plan der Kathedrale den Stempel des 21. Jahrhunderts aufdrücken, statt ihr historisches Erbe zu achten, heißt es in einer Petition. Die Rede ist gar von Vandalismus.

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Der Initiator der Petition, Didier Rynker, wirft Macron vor, sich über den Willen der Franzosen hinwegzusetzen: „Wer hat dem Staatschef das Mandat erteilt, eine Kathedrale zu verändern, die nicht ihm, sondern allen gehört?“ Die Entscheidung über die neuen Glasfenster steht noch aus. Die Petition haben mehr als 240.000 Franzosen unterzeichnet.

Macron will sich weder davon noch von der Absage des Papstes beirren lassen. Für ihn bleibt der Wiederaufbau ­Notre-Dames ein starkes Symbol. Mehr noch: Er will in ihm auch ein „Gegenmittel gegen die Niedergeschlagenheit“ sehen, die so oft die Nation erfasse.

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