BTW 2025: Quadrell von Scholz, Merz, Habeck und Weidel Flops ...
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Alice Weidel ist als Erste da, dann kommt Olaf Scholz. Vor dem Fernsehstudio der Sender RTL/ntv in Berlin-Adlershof haben sich Fangruppen der Politiker aufgebaut. Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck, der als Nächster eintrifft, nimmt ein Bad in der Menge seiner Parteifreunde. Zum Schluss kommt CDU-Chef Friedrich Merz an, auch er wird von seinen Fans gefeiert.
Kurz vor der Sendung waren sich drei der vier Kanzlerkandidaten zumindest in einem Punkt einig: Scholz, Merz und Habeck hatten auf der Münchner Sicherheitskonferenz unisono die jüngste Einmischung von US-Vizepräsident J.D. Vance in den deutschen Wahlkampf verurteilt. Nur AfD-Chefin Weidel bejubelte die Rede am Freitag, in der Vance der AfD Wahlkampfhilfe leistete.
Nun hatten die vier Kontrahenten am Sonntagabend bei RTL/ntv Gelegenheit, ihre Meinungen zur neuen US-Regierung, zur Ukraine, Migration, Wirtschaftslage und anderen aktuellen Themen einem größeren Fernsehpublikum zu präsentieren. Moderiert wurde die zweistündige Live-Sendung von Nachrichten-Moderatorin Pinar Atalay und dem Entertainer Günther Jauch.
Auf jeden Fall die Zuschauerinnen und Zuschauer und die Demokratie. Scholz, Merz und Habeck konnten gut die Unterschiede zu Weidel und zur AfD herausarbeiten. Scholz war besonders gut in Zahlen, gab sich angriffslustig. Merz wirkte staatsmännisch und punktete mit Wirtschaftskompetenz. Habeck zeigte sich menschlich, zukunftsbezogen und ernsthaft. Auch Weidel konnte ihre Punkte machen, etwa bei der Frage, wie CDU-Chef Merz seine Ziele in einer Koalition mit SPD oder Grünen durchsetzen wolle. Verlierer waren allerdings jüngere Zuschauer, denn Zukunftsthemen wie Klimaschutz und Bildung kamen in der Diskussion nicht vor.
Eine Forsa-Blitzumfrage unter den Zuschauern kurz nach der Sendung ergab allerdings, dass Merz mit 32 Prozent das Rennen gemacht hat. Scholz kam auf 25 Prozent, Habeck und Weidel erreichten jeweils 18 Prozent.
Überraschend für Weidel war Günther Jauchs Frage nach ihrem Wohnsitz. Denn Weidel hat mit ihrer Frau und den beiden gemeinsamen Söhnen einen Wohnsitz in der Schweiz. Weidel versichert, sie bezahle ihre Steuern in Deutschland und habe auch nur einen deutschen Pass.
Das größte Rätsel des Abends...
...war, wie die Kandidaten ihre zahlreichen Ausgaben- und Steuerentlastungspläne finanzieren wollen. Das teuerste Wahlprogramm hat die AfD, gefolgt von der Union, SPD und Grüne folgen auf den weiteren Plätzen. Vor allem Merz und Weidel verrieten nicht, wie sie die Steuerausfälle in dreistelliger Milliardenhöhe im Haushalt ausgleichen wollen. Der CDU-Chef setzt auf breite Steuerentlastungen für Bürger und Unternehmen, die AfD auf einen deutlich höheren Grundfreibetrag und ebenfalls Steuerentlastungen für alle, wobei obere Einkommen besonders profitieren würden. SPD und Grüne wollen die höchsten Einkommen dagegen stärker belasten und dafür untere Einkommen entlasten. Habeck erneuerte zudem seine Forderung nach einer Milliardärssteuer.
Den hatte an diesem Abend der Kanzler parat: „Die Sozialdemokraten haben das günstigste Wahlprogramm. Weil wir mit Geld umgehen können“, sagte Scholz. Bei den Kontrahenten löste das Spott aus. Auch als es um den Wohnungsbau ging, lieferte Scholz einen guten Spruch: „Ich finde, wir müssen heute einmal sagen, wir sind einer Meinung“, sagte er mit Blick auf Merz, der Vorschläge unterbreitete, wie der Wohnungsbau angekurbelt werden könnte.
Am stärksten war die Debatte...
...als es gleich um Migration, islamistisch motivierte Attentäter und die AfD ging. Merz warf Rot-Grün vor, ständig weitere Flüchtlinge aus Afghanistan zu holen, obwohl die Attentate in Aschaffenburg und München von Afghanen verübt wurden. Scholz betonte, die Zahl der Asylbewerber sei bereits deutlich gesunken. Weidel versprach, die AfD werde die „illegale Migration“ stoppen, zum Beispiel durch die Schließung der Grenzen. Wie sie die deutschen Grenzen schützen will, sagte die AfD-Chefin nicht.
Was war besonders unterhaltsam?
Jauch hat sich den Original-Bierdeckel aus dem Bonner „Haus der Geschichte“ besorgt, auf dem Merz vor über 20 Jahren seine Idee einer einfachen Steuerreform geschrieben hatte: Damals hatte der CDU-Vorsitzende mit ein paar Strichen skizziert, wie man das komplizierte deutsche Steuersystem vereinfachen könnte. Eine witzige Idee, um das sperrige Thema Steuern einzuleiten.
Am schrägsten war das „Quadrell“...
…als die vier Kandidaten in einer Schnellfragerunde beantworten mussten, ob Dschungelcamp oder Opposition für sie schlimmer sei. Weidel machte den Anfang: „Definitiv Dschungelcamp“. Merz tat sich schwerer: Er wundere sich über die Frage, so der Unionskanzlerkandidat etwas konsterniert. Schließlich ließ sich Merz doch zu einer Antwort bewegen: „Lieber Jahrzehnte in der Opposition als zehn Tage im Dschungelcamp.“ Habeck und Scholz hatten keine Einwände. In der Abneigung gegen das Dschungelcamp waren sich also alle einig.
Wie waren die Schlussworte?
Scholz hob das Soziale hervor und betonte, dass er den Mindestlohn erhöhen und für stabile Renten sorgen werde. Weidel stellte vor allem auf irreguläre Migration ab, die die AfD stoppen werde. Habeck betonte, dass auch Kinder und Enkelkinder die gleichen Möglichkeiten haben sollten wie seine Generation. Merz konzentrierte sich auf die Verbesserung der Wirtschaftslage und betonte, dass er nach der Wahl garantiert keine gemeinsame Sache mit der AfD machen werde.
Wie waren die Moderatoren?
Pinar Atalay und Günther Jauch jonglierten geschickt mit Fragen zu einer breiten Themenpalette. Sie gaben der Viererrunde eine gewisse Leichtigkeit, trotz teils schwerer Themen – von der irregulären Migration über die Krise der deutschen Wirtschaft bis zum Ukraine-Krieg und den amerikanisch-russischen Friedensplänen. An manchen Stellen verpassten die Moderatoren es, den Kandidaten konkrete Antworten und sachliche Details zu ihren Vorschlägen zu entlocken. Verschenkte Momente waren auch die Schnellfragerunden: Statt den Kandidaten aussagekräftige Aussagen zu entlocken, blieben die Fragen ziellos und die Antworten belanglos.
Was passierte hinter den Kulissen?
In Berlin-Adlershof gaben sich hinter den Kulissen die Spitzenpolitiker die Klinke in die Hand. Beim „Quadrell“ von RTL durfte jeder der Kandidaten 20 Unterstützer mitbringen. Bei allen Parteien waren die Promis gekommen: für die SPD die Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken, auch Verteidigungsminister Boris Pistorius und Arbeitsminister Hubertus Heil. Auch bei den Grünen war die Parteivorsitzende Franziska Brantner vor Ort, auch die Fraktionsspitze war da. Die CDU war mit CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, Thorsten Frei und Julia Klöckner vertreten, auch bei der AfD waren Unterstützer dabei.