Viererrunde: So schlugen sich Scholz, Merz, Habeck und Weidel
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Berlin. Scholz sagt, auf wen er hofft. Habeck ist ehrlich. Weidel wird sauer. Und Merz rauft sich gerne. Einmal johlen Gäste empört.
Erstmals in diesem Wahlkampf sind die vier Kanzlerkandidaten von SPD, Union, AfD und Grünen gemeinsam in einer TV-Sendung aufgetreten. In der ZDF-Sendung „Klartext“ stellten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Unionsherausforderer Friedrich Merz (CDU), AfD-Chefin Alice Weidel und der Grünen-Politiker Robert Habeck sich Publikumsfragen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird in der ZDF-Sendung „Klartext zum mutmaßlichen Anschlag in München befragt. © DPA Images | Svea Pietschmann
Sein bester Moment: Der Kanzler hat schwere Tage hinter sich: Die Aufregung um seine „Hofnarr“-Äußerung gegenüber Berlins Kultursenator Joe Chialo und der mutmaßliche Anschlag in München haben seinen Wahlkampf massiv durcheinandergebracht. Zudem ist Scholz in größter Sorge, dass US-Präsident Donald Trump Europa und der Ukraine den Beistand entziehen könnte. Scholz stärkster Moment ist deswegen ein Moment der Wahrheit, was im Wahlkampf nicht immer einfach ist.
Der Kanzler warnt, dass die Unterstützung der Ukraine noch viel Geld kosten werde. „Müssen wir deswegen woanders kürzen? Müssen wir also Einschränkungen vornehmen bei der Rente, bei Gesundheit, Pflege, bei Straßenbau?“, fragt Scholz und gibt seine Antwort: „Ich halte das für falsch. Ich glaube, da muss man die Wahrheit sagen, das muss man extra finanzieren.“ Bleibt Scholz Kanzler, will er also viel Geld für mehr Sicherheit ausgeben und dafür viele Milliarden mehr Schulden machen.
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Sein schwächster Moment: Eine Teilnehmerin aus Solingen, wo es im Sommer einen Anschlag auf ein Stadtfest gegeben hatte, spricht die Serie von tödlichen Attentaten an, die Deutschland in den vergangenen Monaten immer wieder erschüttert haben. „Wir haben Angst“, sagt die Frau. Sie will von Scholz wissen, wenn seine Regierung nicht massiv etwas ändere: „Tragen Sie nicht eine moralische Mitschuld, an jedem einzelnen Mord?“
Scholz verweist auf Gesetzesänderungen und solche, die vorliegen, aber noch nicht beschlossen sind. „Das treibt mich um“, sagt Scholz und räumt ein: „Solche Vorfälle machen Angst.“ Er gehe nicht zur Tagesordnung über, versichert Scholz – wirkt dabei aber hilf- und ratlos.
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Fazit: Scholz gibt sich hoffnungsvoll, obwohl die SPD in den Umfragen weit hinter der Union und sogar hinter der AfD liegt. „Das ist nicht schön“, räumt Scholz ein, als Moderator Christian Sievers nach seinem fehlenden Amtsbonus fragt. Der SPD-Kandidat gibt sich dennoch kämpferisch: „Ich spiele nicht nur auf Sieg, ich will gewinnen.“ Scholz setzt auf die bislang noch unentschiedenen Bürgerinnen und Bürger. Die Wahl werde in der Wahlkabine entschieden. Dort, hofft Scholz, sollen dann doch viele von ihm denken: „Das ist doch der Bessere.“ Der Auftritt des Kanzlers war solide. Ob das reicht, zeigt sich am Abend des 23. Februar.
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck
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Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck wird von einem Gast gelobt: „Sie geben auch mal Fehler zu, das rechne ich ihnen hoch an.“ © DPA Images | Svea Pietschmann
Sein bester Moment: Robert Habeck liegt das Format, der Grüne bewegt sich locker durch die Arena, redet sich schnell warm, ist in seinem Element. Seine Methode: Ich weiß, ich weiß, ich weiß. Erstmal Verständnis zeigen. Den besten Moment hat Habeck, als es um die Klimapolitik geht. Der Fragesteller ist kritisch mit Habecks Politik, aber zufrieden mit seiner Antwort. Er lobt Habeck. „Sie geben auch mal Fehler zu, das rechne ich ihnen hoch an.“ Applaus im Publikum.
Sein schwächster Moment: Habeck hat es gleich zu Beginn mit einem frustrierten Studiogast zu tun, mit einem, der keine Lust mehr auf Politik hat: „Wie wollen Sie Wähler überzeugen, überhaupt wählen zu gehen?“, fragt er. Habeck versucht eine Antwort und wird auf Anhieb moralisch: „Wenn sich die Menschen zurückziehen, ist es zu Ende mit der Demokratie.“ Der Grüne redet vom „wohlverstandenen Verständnis“ der demokratischen Prozesse, von Konflikt und Konsens, im typischen, leicht überkomplexen Habeckstil. Der Studiogast wirkt nicht wirklich überzeugt. Der Mann sieht keine Unterschiede mehr bei den Parteien, bei den Lösungsansätzen. „Was soll ich denn wählen? Not oder Elend?“, beharrt er auf seinem Frust.
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Fazit: Anders als Olaf Scholz setzt Habeck auf Schuldeingeständnisse als persönliche Strategie, der Wirtschaftsminister erklärt, welche Fehler gemacht wurden, spricht viel von „wir“. Warum er all den Schwung, den er jetzt entfesseln will, in den vergangenen Ampel-Jahren nicht entfesseln konnte, sagt er nicht. Nur soviel: Man müsse jetzt „in die Gänge kommen“ - das Geld dafür soll durch eine Reform der Schuldenbremse kommen.
Deutlich wird Habeck mit Blick auf Trump: Angesprochen auf das Telefonat zwischen Trump und Putin, sagt Habeck: Es sei „okay“, dass der US-Präsident mit Putin spreche, aber wichtig sei, dass er die Interessen der Ukraine wahre. „Da kann man Zweifel haben.“ So, wie es jetzt gelaufen sei, stelle sich Trump auf die Seite des Aggressors.
AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel
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Bei ihr ging es in der ZDF-Sendung viel um Migration: AfD-Chefin Alice Weidel. © Getty Images | Pool
Ihr bester Moment: Am Anfang trifft die AfD-Chefin noch auf Robert Habeck. Der Grüne wirkt direkt sichtbar distanziert und erklärt kompliziert, warum es falsch sei, wenn Parteien gegenseitig eine Zusammenarbeit ausschließen, dies aber im Fall der AfD aber richtig sei. Die Kanzlerkandidatin der AfD präsentiert sich im Aufeinandertreffen mit Habeck freundlich und begegnet den Fragen des Publikums anfangs mit betont großem Interesse.
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Einem Medizintechnik-Unternehmer aus Potsdam stellt Weidel viele Fragen zu seiner Firma. Sie will erkennbar sympathisch wirken. Der Mann erzählt, dass seine ausländischen Angestellten sich wegen der politischen Stimmung im Land Sorgen machen, manche sogar daran denken, Deutschland zu verlassen. Weidel legt dar, dass sie großes Interesse an Fachkräften habe. „Eine Art Willkommenskultur“, fragt Moderator Sievers kritisch. „Aber nicht für Illegale!“, stellt Weidel klar. Sie hat Interesse an dem Fall gezeigt und ihren Punkt gemacht.
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Mit anderen Parteimitgliedern freut sich Alice Weidel im Bundestag über das Ergebnis einer Abstimmung. (zu dpa: «Gegen den Euro in die Politik») Foto: Michael Kappeler/dpa - Honorarfrei nur für Bezieher des Dienstes dpa-Nachrichten für Kinder +++ dpa-Nachrichten für Kinder +++ AfD im Bundestag"
Ihr schwächster Moment: Eine Georgierin im Publikum arbeitet als Altenpflegerin, lebt aber als abgelehnte Asylbewerberin in Deutschland. Die Frau sei „herzlich willkommen“, sagt die AfD-Chefin, obwohl sie den Duldungsstatus vorher kritisiert hat. Der Chef der Georgierin bekommt das Wort. „Das kann ich Ihnen gar nicht abnehmen“, kritisiert der Mann. In der Pflegebranche brauche es dringend mehr Migration. „Da müssen Sie einfach nur unser Programm lesen“, antwortet Weidel knapp.
„Das habe ich gemacht. Gerade zur Pflege ist ihr Programm eine absolute Enttäuschung“, entgegnet ihr der Publikumsgast. Jetzt wird Weidel sauer. „Ich habe den Eindruck, dass Sie mir nicht zugehört haben, dass Sie unser Wahlprogramm nicht gelesen haben“, sagt die AfD-Politikerin schnippisch. „Und dass Sie das, was Sie gerade sagen, auswendig gelernt haben.“ Mehrere Gäste im Publikum johlen empört. Jetzt wirkt Weidel verbissen und unsympathisch.
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Fazit: Wer ein Fan von Weidel und ihrer Migrationspolitik ist, dürfte sich von dem Auftritt bestätigt fühlen. Im Kontakt mit dem Publikum wirkt Weidel allerdings immer wieder verbissen, die drei anderen Politiker finden einen besseren Umgang. Wer sich an diesem Abend von der Person Alice Weidel überraschen lassen wollte, dürfte wohl eher einen negativen Eindruck gewonnen haben.
Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz
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„Spüren Sie die Atem der AfD im Nacken?“, wird CDU-Chef Friedrich Merz in der ZDF-Sendung gefragt. „Nein“, antwortet Merz lässig. © DPA Images | Michael Kappeler
Sein bester Moment: Gleich bei der ersten Frage geht es - natürlich - um die Brandmauer. Der Studiogast will nicht verstehen, warum die Union nicht mit der AfD reden will. Merz geht der Frage nicht auf den Leim, sondern sagt, was er in diesen Tagen immer wieder sagt. Nein, nein, nein. „Frau Weidel kommt elegant daher“, räumt Merz ein, aber da dürfe man sich nicht täuschen lassen. Mit „denen“ auf der rechten Seite des Parlaments werde er nicht zusammenarbeiten. „Entzaubern klappt nicht?“ fragt Schausten. „Nein“, sagt Merz.
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Sein schwächster Moment: Ein Energieexperte spricht das Thema Heizen an: „Was passiert unter einem Kanzler Merz im Heizungskanzler?“ Merz spult seine übliche Kritik an der Ampel-Politik ab. Der Mann kennt das Heizungsgesetz sehr gut und nagelt Merz fest. „Haben Sie das Gesetz gelesen? Ein Verbot steht da nicht drin.“ Faktisch ist es ein Verbot, behauptet Merz. Die beiden streiten leidenschaftlich - bis Merz endlich den rettenden Kompromiss findet: „Der Staat sollte keine Technologie vorgeben. Können wir uns da einigen?“ Jo, der Mann nickt.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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Fazit: Merz wird die Frage nach der AfD nicht mehr los - das hat er sich selbst eingebrockt. Sein wiederholtes Nein aber ist glaubhaft. Interessanter ist, wie selbstbewusst sich Merz als internationaler Krisenmanager empfiehlt: „Die Zeitenwende, die Scholz beschrieben hat, kommt an diesem Wochenende“, warnt Merz mit Blick auf die Münchner Sicherheitskonferenz und das Agieren von Trump und seinen Leuten. Er habe erste Hinweise, dass die Rede des US-Vizepräsidenten J.D. Vance eine sehr konfrontative Rede werde. Er hoffe, dass Scholz eine europäische Antwort darauf habe. Wie er selbst reagieren würde? Merz gibt sich demonstrativ selbstsicher: Trump müsse man mit großem Ego entgegentreten. „Wenn Sie als Zwerg kommen, werden Sie als Zwerg behandelt.“