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Kommentar zu Alexander Zverev: Ungekrönter Herr der Resilienz

Kommentar zu Alexander Zverev Ungekrönter Herr der Resilienz
Dass Alexander Zverev in Deutschland wohl kein Volksheld mehr wird, hat er sich selbst zuzuschreiben. Seinen ersten Grand-Slam-Sieg hätte er sich aber mit Reife verdient gehabt. Ein Kommentar von kicker-Redakteur Paul Bartmuß.

Dass Alexander Zverev in Deutschland wohl kein Volksheld mehr wird, hat er sich selbst zuzuschreiben. Seinen ersten Grand-Slam-Sieg hätte er sich aber mit Reife verdient gehabt. Ein Kommentar von kicker-Redakteur Paul Bartmuß.

Alexander Zverev muss weiter auf den ersehnten Grand-Slam-Sieg warten.

Alexander Zverev muss weiter auf den ersehnten Grand-Slam-Sieg warten. AFP via Getty Images

Eigentlich ist es ja auch wahnwitzig. Ein Olympiasieger und zweimaliger Gewinner der ATP Finals, der ohne Grand-Slam-Titel dasteht? Das passt eigentlich nicht zusammen. Und doch darf sich Alexander Zverev weiterhin nicht Grand-Slam-Sieger nennen. Eine Bezeichnung, nach der er seit Jahren strebt, ja lechzt.

"Ich wünsche dir den Titel, weil du ihn verdienst, mein Freund", hatte Novak Djokovic nach seiner Halbfinal-Aufgabe gegen den Deutschen auf X gepostet. Der Novak Djokovic, der sonst auch mal gern als schlechter Verlierer bezeichnet wird.

Zverev erfüllte den Wunsch des Serben nicht, unterlag dem favorisierten Jannik Sinner mit 3:6, 6:7 (4:7), 3:6 im Finale der Australian Open. Vielleicht hat der gebürtige Hamburger nicht die schönste Schlagtechnik eines Roger Federer, nicht das spektakuläre Spiel oder die Leichtigkeit eines Carlos Alcaraz. Schwerfällig sieht es zumeist bei ihm aus, anstrengend. Nicht nur wegen der im vergangenen Herbst erlittenen Lungenentzündung, deren Folgen er noch Monate danach spürte.

Zverev könnte längst ein Volksheld sein - könnte

Aber Zverev besitzt die aktuell wohl beste Rückhand der Welt. Dazu einen immensen Aufschlag, der über die Jahre immer stärker wurde. Und auch sonst einen Instrumentenkoffer mit allerhand Fächern, aus denen er sich bedienen kann. Auch wenn er sich öfter in die Defensive und zu weit hinter die Grundlinie flüchtet, als es ratsam wäre.

Gereift tritt er auf - auch abseits der sportlichen Kriterien: Er gerät mit seinem Auftreten auf dem Platz inzwischen eher in positive Schlagzeilen. Wie zum Beispiel, als ein Zuschauer bei den US Open 2023 eine verbotene Parole aus der Zeit des Nationalsozialismus rief und Zverev Zivilcourage bewies, indem er es dem Stuhlschiedsrichter meldete.

Noch immer - und vielleicht für immer - fallen die Sympathien des erst dritten deutschen Australian-Open-Finalisten (nach Boris Becker 1991 und 1996 sowie Rainer Schüttler 2003) in seiner Heimat geteilt aus. Er könnte mit seinen sportlichen Erfolgen ein Volksheld sein. In der Realität ist es anders: Manche lieben ihn, manche haben Probleme mit ihm.

Wie Zverev Djokovic schützte, bewies Klasse und Reife

Ein kleiner Teil dieser Polarisierung liegt wohl auch daran, dass Zverev seit vielen Jahren in Monte Carlo fernab von Deutschland lebt. Dass er den Davis Cup öfter mal zugunsten von Einzel-Turnieren ausfallen lässt.

Den Großteil aber an seinem in der Vergangenheit öfter cholerischen Auftreten auf dem Platz, das von einigen als arrogant beurteilt wurde. Und nicht zuletzt an den Vorwürfen der häuslichen Gewalt beziehungsweise der Körperverletzung. Gegen eine Zahlung von 200.000 Euro wurde das jüngste Verfahren eingestellt. Das Image aber wird er wohl nicht mehr los.

Zurück nach Australien: Wie Zverev Djokovic nach dessen Aufgabe in Melbourne öffentlich gegen Buh-Rufe beschützte, bewies Klasse und Reife. Resilienz hat längst als Modewort die deutsche Sprache erobert. Vielleicht ist es an dieser Stelle aber ausnahmsweise passend.

Bestes Beispiel für diese Resilienz: Der Viertelfinal-Sieg über den US-Amerikaner Tommy Paul. "Ich weiß nicht, wie ich das geschafft habe. Ich hätte 0:2 hinten liegen müssen - da war er besser als ich", sagte Zverev hinterher ehrlich, nachdem er beide besagten Sätze gewonnen hatte. Der Glaube an sich selbst und eine gewisse Reife halfen ihm durch brenzlige Situationen.

Oder gegen Djokovic im kurzen Halbfinale, als er im rückblickend enorm wichtigen Tie-Break kein einziges Mini-Break zuließ. Bis zum Stand von 6:5 gewann jedes Mal der Aufschläger den Punkt. Dann beging Djokovic, der Inbegriff des mit allen Wassern gewaschenen Mental-Champions, den Fehler. Nicht Zverev.

Mit seinen 27, im April 28 Jahren hat sich Zverev eine Ruhe erarbeitet, ob in schwierigen Situationen auf dem Platz oder in Interviews, die ihm hilft, zunehmend die richtigen Entscheidungen zu treffen. Seinen ersten Grand-Slam-Titel hätte er sich inzwischen verdient. Bleibt der Deutsche fit, wird es in absehbarer Zeit auch so weit sein.

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